Bericht zur 35. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (06.03.2017)

0

Zur 35. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag am 06.03.2017 waren drei Zeugen geladen. Als erstes sagt Oda Scheidelhuber aus, Sie war 2006 als Staatssekretärin im hessischen Innenministerium die direkte Untergebene von Volker Bouffier. Der zweite Zeuge, Werner Koch, übt dieses Amt zum jetzigen Zeitpunkt aus und war 2006 Leiter der Zentralabteilung im Innenministerium und in dieser Funktion mit dem Disziplinarverfahren gegen Andreas Temme beschäftigt. Der dritte geladene Zeuge war der jetzige Wissenschaftsminister und ehemalige Innenminister Boris Rhein. Da sich die Vernehmung der beiden ersten ZeugInnen in die Länge zog wurde Boris Rhein an diesem Tag nicht mehr gehört.

Die Befragung der ersten Zeugin drehte sich vor allem um die Frage, wann der damalige Innenminister Volker Bouffier über den Mordverdacht gegen den Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes – Andreas Temme – informiert wurde und warum das zuständige parlamentarische Kontrollgremium damals vom Innenminister darüber nicht informiert wurde. In der Befragung wurde festgestellt, dass Bouffier wohl schon am 21.04.2006 – also c.a. zwei Wochen nach dem Mord an Halit Yozgat – über den Tatverdacht informiert wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt sei die Einschätzung der Behörden aber gewesen, dass Temme privat und zufällig am Tatort anwesend war. An dieser Einschätzung hält das hessische Innenministerium und auch die Zeugin Oda Scheidelhuber bis heute fest.
Scheidelhuber sagte zudem, dass die Diskussion darum, ob die V-Leute von Andreas Temme durch die Polizei verhört werden dürfen im Innenministerium ergebnisoffen geführt wurde. Weil durch eine Vernehmung die Quellen gefährdet würden, das Vertrauen anderer Quellen leiden könnte, sich daraus Probleme bei der Anwerbung neuer Quellen ergeben könnten und eine Lücke in der Beobachtung der „islamistischen Szene“ in Kassel entstehen könne, wurde sich dann gegen eine Vernehmung der Quellen durch die Polizei entschieden.
Auf das Disziplinarverfahren gegen Andreas Temme habe sie keinen Einfluss genommen. Sie habe lediglich auf die Einleitung eines Verfahrens gedrängt, da Temme sonst nicht länger hätte suspendiert werden können und an seinen Arbeitsplatz beim Inlandsgeheimdienst zurückgekehrt wäre.
Zum Thema der Überwachung der Familie von Halit Yozgat, weil diese angeblich zur „Blutrache“ an Andreas Temme aufgerufen werden sollte, sagte Scheidelhuber, dass sie sich daran nicht mehr erinnern könne. Die Einschätzung der Polizei sei gewesen, dass keine Gefährdung von Andreas Temme vorliegt, die Überwachung sei aber trotzdem ausgeführt worden.

Der zweite Zeuge, Werner Koch, wurde zunächst zum Disziplinarverfahren gegen Andreas Temme befragt. Er gab an, dass klar war, dass Temme keine Sicherheitsbescheinigung mehr bekommen würde, weil der damalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes das nicht wollte, während die Sicherheitsabteilung des Inlandsgeheimdienstes sich dafür einsetzte, Temme wieder eine Sicherheitsbescheinigung auszustellen. Auch Koch gab an, dass das Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, weil sonst die Suspendierung von Temme nicht verlängert werden könne. Von der Liste mit Vorwürfen gegen Temme, auf der unter anderem Drogenbesitz und Kontakte zur organisierten Kriminalität standen, habe Koch nicht erfahren. Er sei sehr schnell von Seiten des Inlandsgeheimdienstes darauf angesprochen worden, wo Andreas Temme nach dem Disziplinarverfahren untergebracht werden könne. Es sei dann Kochs Idee gewesen Temme beim Regierungspräsidium in Kassel weiter zu beschäftigen, da er in der Pensionsabteilung keinen Kontakt nach außen habe.
Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 war Koch auch an den Umstrukturierungen im Inlandsgeheimdienst beteiligt.

Nach der Befragung von Koch wurde die Sitzung beendet. Boris Rhein wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr befragt.

Share.

About Author

Comments are closed.