Bericht zur 22. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag (18.04.2016)

0

Am 18.04.2016 waren zwei Zeugen aus der rechten Szene in den hessischen Landtag geladen. Philip Tschentscher wurde in öffentlicher Sitzung befragt, während der ehemalige V-Mann Sebastian Seemann nur nicht-öffentlich befragt wurde.

Tschentscher gab an in Hofgeismar aufgewachsen zu sein sein. Er sei bei der Bundeswehr gewesen und habe dann für das Studium längere Zeit in Erfurt gewohnt. Aufgrund seiner möglichen Kontakte in die dortige thüringische rechte Szene ist er auch interessant für den hessischen NSU-Untersuchungsausschuss. Zudem ist Tschentscher auch heute ein aktiver Neonazi, der unter dem Namen „Reichstrunkenbold“ als Liedermacher auf Konzerten der rechten Szene spielt.
Tschentscher war lange Zeit aktiv auf dem Hof von Manfred Roeder, einem der bekanntesten deutschen Rechtsterroristen. Der Zeuge bezeichnete Roeder als „guten Freund“. Er gab im Ausschuss an, dort u.a. Schulungen in „Heimatkunde“ gegeben zu haben, denn es sei wichtig, dass man über die eigene Geschichte und die „Ahnen“ Bescheid wisse. Auf die Frage, ob er auch über die NS-Ideologie referiert habe, meinte Tschentscher, man könne lernen, dass sich ein Volk zusammenfindet und gemeinsam einen Führer wählen kann. Außerdem habe er Rhetorikkurse gegeben und Kameraden beigebracht, wie man sich beispielsweise gegenüber staatlichen Behörden zu verhalten habe. Auf dem Hof veranstaltete Tschentscher auch einmal seinen Geburtstag zu dem Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar dem Ausland geladen wurden, insgesamt über 300 Personen. Es habe sich dabei um Freunde und Bekannte gehandelt, die er persönlich eingeladen habe. Das Konzert sollte ursprünglich in Hofgeismar stattfinden, wurde aber von Polizei und Bürgermeister aufgelöst. Das polizeiliche Verbot war allerdings bei keiner Fraktion Thema, obwohl über das Konzert ausführlich gesprochen wurde.
Als Roeder in Haft genommen wurde, verwaltete Tschentscher dessen Hof. Er gab im Ausschuss jedoch an, nur der Mittelsmann von Roeder an die rechte Szene gewesen zu sein. Beispielsweise habe Roeder Briefe der „Deutschen Bürgerinitiative“ im Gefängnis verfasst und an Tschentscher weitergeleitet, die dieser dann wiederum veröffentlichte. Diese Aussage wurde leider durch den Ausschuss nicht weiter kritisch bewertet: Es gibt Briefe, die Tschentscher offenbar selbst verfasst und mit den Worten „Ich verbleibe mit kameradschaftlichen Reichsgrüßen, Euer Philip“ abgeschickt hat.
Aktiv war Tschentscher auch in der sogenannten „Deutsch-Russischen Friedensbewegung“. Der Verein wurde 2006 in Erfurt gegründet, Tschentscher gilt laut Vereinsregister als Gründungsmitglied, zusammen u.a. mit Thorsten Heise.. Im Ausschuss gab er jedoch an, bei dem Treffen nicht gewesen zu sein. Seine Unterschrift wurde von anderen unter den Gründungsbeschluss gesetzt.
Zum Zeitpunkt des Mords an Halit Yozgat sei er in Österreich gewesen, wie der Zeuge angab. Auch sonst konnte oder wollte er zu vielen Aspekten der rechten Szene in Hessen nichts beitragen. Auf die Frage nach Kontakten zu bekannten hessischen Neonazis, stritt Tschentscher ab, von diesen überhaupt zu wissen. Auf die Frage, ob und wenn ja was er über mögliche Untergrundaktivitäten von Neonazis wisse, sagte der Zeuge, innerhalb der hessischen Szene sei dies kein Thema gewesen. In Hessen hätten sich die Rechten in der Regel öffentlich gezeigt. Aber im Ausland habe er öfter von derlei Plänen gehört.
In Österreich wurde Tschentscher verhaftet und bekam eine Gefängnisstrafe. Er gab im Ausschuss an, dies sei vor allem wegen Gesetzen geschehen, die die amerikanischen Besatzer in Österreich erlassen hätten. Tatsächlich wurde Tschentscher im Zusammenhang mit dem sogenannten „Objekt 21“ festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt (Quelle: Lotta). Er soll u.a. über die deutsch-österreichische Grenze versucht haben eine Waffe zu schmuggeln.
Auch auf seine musikalischen Aktivitäten wurde Tschentscher im Ausschuss angesprochen. Interessant war die Befragung zu seiner CD „Viel Asche um nichts“, auf der sich den Holocaust relativierende Texte befinden und deren Cover ein Bild eines Krematoriums zeigt. Tschentscher gab an, die CD nicht selbst produziert zu haben, er habe auch kein Geld dafür bekommen. Sie sei bei einem Konzert mitgeschnitten worden. Mit seinen eigenen Texten würde er sich nicht inhaltlich identifizieren, vielmehr handele es sich um reine „Unterhaltungsmusik“ für die rechte Szene.

Share.

About Author

Comments are closed.