Bericht zur 13. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (12.10.15)

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Am 12.10.15 fand die 13. öffentliche Sitzung des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses im Wiesbadener Landtag statt. Als Zeugen waren in dieser Sitzung vier Polizisten geladen, die im Jahr 2006 an den Ermittlungen um den Mord an Halit Yozgat beteiligt waren. Die Zeugen waren: Ralf B., Uwe F., Klaus W. (alle drei ehem. Mordkommission „Café“) und Ercan T. (ehem. „Ausländerbeauftragter“ im Polizeipräsidium Nordhessen).

Der erste Zeuge Ralf B. war Sachbearbeiter beim K11 (eine Kriminaldirektion in Kassel) und der erste Polizist, der Ismail Yozgat auf der Dienststelle am Tag des Mordes an seinem Sohn Halit Yozgat vernahm. Vor der Vernehmung hatte er ein Vorgespräch mit ihm geführt, um die Zeit zu überbrücken, bis der Dolmetscher vor Ort war. Bei der Vernehmung fertigte Ismail Yozgat eine sehr konkrete Skizze des Tatortes an.
Zudem war Ralf B. 2012 nach Bekanntwerden des NSU an einer Vernehmung des hessischen Neonazis Stanley R. beteiligt. R. veranstaltete anlässlich seines 30. Geburtstags zusammen mit Michel Friedrich Anfang 2006 (einige Wochen vor dem Mord an Halit Yozgat) ein Konzert der Neonaziband Oidoxie in Nordhessen. Hierbei stellt sich die Frage um die Vernetzung des NSU-Kerntrios nach Nordhessen, da es Hinweise gibt, dass Mitglieder des NSU-Kerntrios das Konzert besucht haben. Von diesem Konzert existiert auch eine Aufnahme, die auch Thema in der Vernehmung Uwe F.’s war (s.u.). Befragt wurde B. auch zu dem Zettel, der 2011 in der Wohnung Zschäpes gefunden wurde, auf dem u.a. die Adresse des Internetcafes Yozgats und Funkfrequenzen standen, die aber nach Angaben B. frei zugängig im Internet und in Fachbüchern waren.
Der zweite Zeuge war der damalige „Ausländerbeauftragte“ des Polizeipräsidiums Nordhessen, Ercan T. Er überbrachte die Nachricht vom Mord an Halit Yozgat an die Familie Yozgat (außer an den Vater). Er war insgesamt bei drei bis vier Vernehmungen von Ismail Yozgat anwesend und dabei als Dolmetscher tätig. Auffällig war, dass T. angab (anders als in dem Vermerk zu einer der Vernehmungen angegeben), dass die Vernehmung in Anwesenheit von Mitarbeiter(n) des Staatsschutzes stattfand, die auch in der Mordkommission „Café“ (MK „Café“) waren. Bei dieser Vernehmung am 09.06.2006 sagte Ismail Yozgat deutlich aus, dass er von einem rassistischen Motiv für den Mord ausgeht. Außerdem gab er an, dass er aufgrund der gezielten Schüsse auf seinen Sohn vermutet, dass es sich bei dem Täter um einen Profi, etwa einen (Ex-)Soldaten oder Polizisten, handeln müsse. T. gab zudem an, ein Journalist, der am Tatort anwesend war, äußerte direkt den Verdacht, dass es sich bei dem Mord an Halit Yozgat um eine weitere Tat in einer Mordserie handeln könne.
Als dritter Zeuge war Ralf F. geladen, der am Tattag Nachtschicht beim Kriminaldauerdienst hatte und daher gegen 19.30 zum Tatort gerufen wurde, wo er jedoch das Internetcafé selber nicht betrat sondern zur Zeugenvernehmung weitergeleitet wurde. Er vernahm die Zeugen aus dem Internetcafé, später wurde er Mitglied in der neu gegründeten MK „Café“ und war mit verschiedenen Aspekten der Ermittlungen betraut. Er war anwesend bei Vernehmungen der Ehefrau von Andreas Temme, von Benjamin Gärtner und Michel Friedrich. Friedrichs Aussage, er kenne den NSU nur aus den Medien, schätzte F. als glaubwürdig ein, mit Verweis darauf, dass sich Friedrich damals in einem Aussteigerprogramm für Neonazis befand.
Zudem war F. auch für die Hausdurchsuchung bei Andreas Temme zuständig. Nachdem Temme als weiterer Anwesender im Internetcafé ermittelt wurde fuhr F. am 24.06.06 mit seiner Kollegin W. zu Temmes Haus, um die angeordnete Hausdurchsuchung durchzuführen. Temme habe mit der Hausdurchsuchung irgendwie gerechnet und wusste sofort, um was es gehe, so F. Als Temme ihnen erzählte, dass er beim VS sei, habe F. ihn in Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zur Vernehmung auf die Dienststelle gebracht. Die angeordnete Hausdurchsuchung habe man erst 4 Stunden später, gegen 21:00 Uhr durchgeführt. In der Zwischenzeit sei die Ehefrau Temmes in der Wohnung geblieben. Temme habe zudem die Möglichkeit gehabt, zwischen dem Vorgespräch an seiner Haustür und der tatsächlichen Hausdurchsuchung privat zu telefonieren. Dieses unübliche Vorgehen bei einer Hausdurchsuchung bezeichnete F. zuerst selber als ein Risiko, später jedoch als unproblematisch.
F. berichtete auch, dass Temme Kontakt zum ZK 10 (Staatsschutz) gehabt habe. Er sei auch nach dem Mord einige male dort gewesen. Einige der Beamten des Staatsschutzes kannten Temme persönlich. Ob dies auch auf Herrn Fe. zutreffe, der vom Staatsschutz kam und an der MK „Café“ beteiligt war, konnte F. nicht sagen. Des Weiteren ging es in der Vernehmung um das Oidoxie-Konzert im März 2006 in Nordhessen, bei dem Mitglieder des NSU-Kerntrios möglicherweise anwesend waren. Hierbei stellte sich heraus, dass die CD mit der Aufnahme des Konzerts, die Benjamin Gärtner an F. weitergab, von F. ans BKA weitergegeben wurde. Diese CD galt bisher als verschollen.
Der letzte Zeuge an diesem Tag war Klaus W., damals eigentlich Leiter der Spezialeinheiten in Kassel. W. war zu Beginn der Mordermittlungen bis zum 11.07. jedoch die Urlaubsvertretung des Kriminalleiters H. W. berichtete davon, sich durch das Studium der betreffenden Akten mittels einer Polizei-internen digitalen Suche auf die heutige Vernehmung vorbereitet zu haben. Darauf bemängelten Ausschussmitglieder, dass dies bei anderen Polizisten als Zeugen nicht der Fall gewesen sei. Die Stimmung in der Ausschusssitzung wurde unruhiger, als Jürgen Frömmrich (Bündnis 90/ Die Grünen) den Zeugen befragte, warum Temmes V-Leute nicht unter der Legende, sie seien Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, von Kripobeamten befragt worden seien. Später korrigierte er sich dahingehend, dass er fragen wollte, warum VS-Mitarbeiter nicht in Anwesenheit von Kripobeamten (unter einer Legende) die V-Leute Temmes befragten. Andere Ausschussmitglieder warfen Frömmrich daraufhin ein fehlendes Rechtsverständnis vor. W. begründete sein Verhalten damit, dass es mit seinem Selbstverständnis als Polizeibeamter nicht zu vereinbaren wäre, Zeugen unter einer Legende zu befragen.
Befragt wurde W. auch zu der Rolle des Staatsschutzes bei den Ermittlungen. Dessen Mitarbeiter seien an der MK „Café“ beteiligt gewesen, da verschiedene Abteilungen (u.a. der Staatsschutz) um personelle Unterstützung gebeten wurden. Wahrscheinlich seien dabei nahezu alle vom Beamten des ZK 10 beteiligt gewesen. Dabei sei Herr Fe., der wohl auch bei der Vernehmung Ismael Yozgats beteiligt war, wahrscheinlich der Ansprechpartner für den Verfassungsschutz gewesen.
Wie alle bisherigen Ermittler aus Kassel gaben auch die heutigen Ermittler an, in alle Richtungen ermittelt und dabei keine Hinweise auf ein rassistisches Motiv übersehen zu haben. W. sprach jedoch zumindest von „Mängeln in der Sache“.

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