Bericht zur achten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses (11. Mai 2015)

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In der 8. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 11. Mai 2015 ging es in erster Linie um ein Telefonat zwischen Andreas Temme und dem Geheimschutzbeauftragten des LfV Hessen Gerald Hess vom 9.5.2006. Das Gespräch, das rund einen Monat nach dem Mord an Halit Yozgat geführt wurde, hatte in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt: Darin enthaltene Zitate wurden u.a. von Nebenklageanwält_innen im Münchner Prozess so ausgelegt, dass der Verfassungsschutz und das Innenministerium vor dem Mord an Halit Yozgat von diesem gewusst haben könnten.

Als erste Zeugin wurde die Kriminaloberkommissarin Angela S. befragt. S. war Mitarbeiterin der Mordkommission und zuständig für die Telefonüberwachung, d.h. sie sollte bestimmte Telefonate anhören und protokollieren. Zu ihren Aufgaben gehörte es, zu entscheiden, welche Telefonate für die Ermittlungen von Relevanz und welche belanglos sind. Als relevant eingestufte Telefonate wurden jedoch nicht komplett verschriftlicht, sondern nur von ihr als relevant erachtete Stellen. Ihre Protokolle dienten lediglich zur ersten Orientierung für die Ermittler. Eine inhaltliche Bewertung nahm S. nach Eigenangaben nicht vor. Grundlage für die Ermittlungen sei immer das Telefonat selbst. Den im Protokoll fehlenden Satz von H. an Temme „Ich sag’ ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren“ interpretierte S. als scherzhaften Gesprächseinstieg. Diese Einschätzung machte sie hauptsächlich an der Tonlage fest.

Der ehemalige Geheimschutzbeauftragte des LfV Hessen wurde als zweiter Zeuge befragt.
Insgesamt konnte sich Hess nur schlecht an zeitliche Abläufe erinnern und reagierte schroff auf genauere Nachfragen. Da Hess nicht wusste, welches Telefonat Thema der Befragung war, wurde mit ihm gemeinsam das komplette 34 minütige Gespräch angehört. Auf die Frage, ob er von der Tat in Kassel im Vorfeld wusste, antwortete Hess mit „Nein“. Er sagte auch, dass Temme vorher nichts gewusst habe. Die Frage, ob er nicht auf die Idee gekommen sei, Temme zu fragen, was dieser am Tatort gemacht habe, verneinte er ebenfalls. Die Aufklärung sei nicht seine Aufgabe, sondern die der Polizei. Als Sicherheitsbeauftragter habe er Temme in einem persönlichen Gespräch danach gefragt. Er wisse jedoch nicht mehr, ob dieses vor oder nach dem Telefonat stattgefunden hätte. Es hätte keine dienstlichen Gründe für den Aufenthalt Temmes im Internetcafé gegeben.
Bezüglich des Rates von Hess an Temme „so nah wie möglich an der Wahrheit“ zu bleiben, sagte Hess, er hätte ihm nicht auftragen können, alles zu sagen, da Temme als Mitarbeiter des LfV über Verschlusssachen nicht sprechen dürfe. Auf die Frage, warum er Temme nicht deutlich gesagt habe, dass er nicht lügen soll, antwortet Hess, er glaube, er habe es ihm gesagt. Er wisse nicht, wie man das deutlicher sagen könne.
Hess war als Geheimschutzbeauftragter die Person des LfV, die für die Kommunikation zwischen der Polizei und dem LfV zuständig war. Dass Temme unter Mordverdacht steht habe Hess, so schildert er, am 26.04.2006 durch einen Fragekatalog der Polizei erfahren. Auf die Frage woher er wisse, dass Temme nicht der Mörder sei, antwortete Hesse, dass man ein gewisses Bauchgefühl habe. Die Fakten der Polizei hielt er für nicht besonders überzeugend.
Den Satz „Ich sag’ ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren“ habe er als eine „ironische Einleitung“ verwendet. Er habe damit gemeint, dass man dort besser nicht vorbeigefahren wäre, wenn bekannt gewesen wäre, was passieren wird. Er bestritt erneut, dass das LfV Kenntnisse über den bevorstehenden Mord hatte.
Thema des Telefonats sei die von Temme angeforderte dienstliche Erklärung gewesen.
Hess gab an, bei der Einstellung und Sicherheitsüberprüfung von Temme beteiligt gewesen zu sein und von Temmes rechter Vergangenheit gewusst zu haben. Diese beschreibt er als „Jugendsünde“.

Als dritter Zeuge wurde der ehemalige Mitarbeiter des LfV Hessen Andreas Temme befragt. Zu Beginn der Befragung gibt Temme an, er habe bis vor einigen Monaten keine eigenen Erinnerungen. Diese seien erst im Zuge der Zeugenaussagen zurückgekommen.
Zum Zeitpunk des Telefonats sei Temme sehr niedergeschlagen gewesen. Er deutete daher den Eingangssatz „Ich sag’ ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren“ von Hess als Versuch der Auflockerung. Temme geht davon aus, dass der Anlass des Telefonats die dienstliche Erklärung war.
Auf Nachfrage, ob ihm vor dem Besuch des Internetcafés bekannt gewesen war, dass dort ein Mord geplant war, sagte Temme „definitiv nein“. An den Satz von Hess „so nah wie möglich an der Wahrheit“ zu bleiben, konnte sich Temme nicht erinnern. Er gab an, bereits vor dem Telefonat beschlossen zu haben, der Polizei die Wahrheit zu sagen. Weiterhin stellt er dar, dass es keinen dienstlichen Bezug zum Internetcafé und zu dessen Betreiber gegeben hätte. Er sei aus privaten Gründen dort gewesen.
Temme gab an, er habe erst drei Tage später vom Mord in Kassel und am darauf folgenden Tag bei der Polizei von der Mordserie erfahren. Auf den Hinweis, es gebe einen Vermerk, aus dem hervorgeht, Temme wusste bereits vor dem Besuch der Polizei, dass der Kasseler Mord Teil der Ceska-Mordserie war, erklärt Temme, dass dieser Vermerk bei dem Prozess in München als nicht beweisträchtig eingestuft wurde. Auf die Frage, warum Temme nicht zur Polizei gegangen sei, nachdem er von dem Mord erfahren hatte, gibt er verschiedene private und dienstliche Gründe an, z.B. Angst vor dem Auffliegen des Besuches eines Flirtportals und Aufsuchen eines Cafés im Nahbereich eines überwachten Objekts. Er stelle sich diese Frage seit neun Jahren und könne mit rationalen Gründen nicht erklären, warum er diesen Fehler gemacht habe.
Temme wirkte während seiner Befragung professionell und geübt. Es kamen keine Details zum Vorschein, die er nicht bereits in anderen Befragungen erwähnt hätte.

Einen wie wir finden sehr lesenswerten Bericht über die Sitzung veröffentlichte Emine Aslan auf migazin.de

 

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