Bericht zur 34. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (10.02.2017)

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In der 34. öffentlichen Sitzung am 10.2.2017 waren zwei Mitarbeiter*innen der hessischen Staatskanzlei sowie Peter S., ehemaliger Abteilungsdirektor beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) geladen.

Die Sitzung begann mit der Vernehmung von Peter S., der zunächst berichtete, nur teilweise mit dem Thema „Temme“ befasst gewesen zu sein. Nachdem Temme drei Monate vom Dienst suspendiert worden war, musste entschieden werden, wie es mit ihm weitergehen sollte. In Absprache mit dem Ministerium leitete Temme deshalb ein Disziplinarverfahren im Juli 2006 gegen sich selbst ein, sein Sicherheitsbescheid wurde entzogen. Zunächst wurde kein Jurist gefunden, der dieses bearbeiten konnte, da beim Landesamt fast alle mit dem Fall befasst waren. Zuvor gab es eine Besprechung im Innenministerium, in welcher über das weitere Procedere diskutiert wurde und sich alle einig waren, dass Temme keine Gehaltskürzungen erhalten sollte. Die Frage, warum das Disziplinarverfahren nicht bereits in Folge der Ermittlungen und Hausdurchsuchung bei Temme eingeleitet worden war, konnte S. nicht beantworten. Hierfür hätte es seiner Erinnerung nach hohe Hürden gegeben. Nachdem der Tatverdacht gegen Temme bekannt wurde, überprüfte Peter S. am 22.4. Temmes Alibis an den anderen Tattagen. Hiernach stand für ihn fest, dass der Anfangsverdacht gegen Temme aufgrund vorhandener Alibis an anderen Tattagen in der bundesweiten Mordserie nicht gehalten werden konnte. Auf die Frage, wie die Berichte der Treffen mit den V-Leuten geprüft wurden, erläuterte S., dass er selbst alle Berichte gelesen hätte. Den Hinweis, dass Berichte „aufgebauscht“ worden wären, könne er nicht bestätigen, dies hätte er ja feststellen müssen. Von Dossiers, die Temme über Kollegen geschrieben haben soll, wusste er nichts.

Als zweite Zeugin war Karin G., damalige Büroleiterin von Bouffier im Innenministerium, geladen. G. wurde am Abend des 21.4. über den Tatverdacht gegen Temme informiert. Im Juli stand fest, dass eine Entscheidung von Bouffier zur Vernehmung der Quellen nötig wurde. Bouffier tat sich laut G. sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen und beriet sich mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie einem Datenschützer. Das LfV habe erklärt, dass die islamistischen Quellen von sehr großer Bedeutung seien. Das Angebot des LfV, nur eine Quelle zu vernehmen, sei von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden. G. gab an, dass sich die Ermittler von der Vernehmung der Quellen keine neuen Hinweise bezüglich der Aufklärung der Mordserie versprachen, sondern alles sauber abarbeiten und eventuell Erkenntnisse zu Temmes Persönlichkeit herausfinden wollten. Nach reichlicher Überlegung habe Bouffier die Sperrerklärung unterschrieben. G. beteuert, dass sie die damalige Entscheidung unterstützte und bis heute als richtig erachte. Allerdings sei immer nur die Rede von islamistischen Quelle gewesen. Dass Temme auch eine rechte Quelle führte, sei damals nicht bekannt gewesen. Mit dieser Information wäre ihrer Meinung nach evtl. anders mit dem Thema umgegangen worden. Der Einschätzung des Ministeriums nach seien die Quellen unverzichtbar gewesen, hierdurch wäre ein „politisches Leck“ entstanden. Darüber hinaus drehte sich die Befragung um das Disziplinarverfahren gegen Temme. Als Ermittlungsführer des Disziplinarverfahrens sei schließlich ein Jurist aus dem Regierungspräsidium Darmstadt benannt worden. Zudem wurde G. zu dem Sachverhalt der unterlassenen Berichterstattung in der PKV (Parlamentarische Kontrollkommission nach § 20 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz) befragt. Dass ein Mitarbeiter des LfV unter Mordverdacht geraten war, hatten die Parlamentarier*innen erst durch einen Bericht in der BILD im Juli 2006 erfahren.

Als dritter und letzter Zeuge wurde der Staatssekretär Michael B. befragt. Der ehemalige Polizist war damals Pressesprecher und stellvertretender Leiter in der Hessischen Staatskanzlei. Auch B. gibt an, dass der Innenminister es sich mit der Entscheidung für die Sperrerklärung nicht leicht gemacht hätte. Da es vielmehr um die „Ausermittlung“ als um die Verfolgung einer heißen Spur gegangen sei, habe der Innenminister sich gegen die Befragung der V-Leute entschieden. Auch B. zufolge sei ausschließlich über V-Leute aus der islamistischen Szene geredet worden. Bezüglich der Frage der Nicht-Berichterstattung in der PKV gibt B. an, dass die Staatsanwaltschaft „Herrin des Verfahrens“ gewesen sei, in das sie nicht befugt gewesen wären einzugreifen.

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