Bericht zur 23. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag (20.05.2016)

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Am 20. Mai 2016 waren zwei Polizisten, einer von beiden mittlerweile pensioniert, aus dem Polizeipräsidium Nordhessen in Kassel geladen. Grund hierfür waren Informationen des hessischen Verfassungsschutzes über mögliche Kontakte beider Beamter in die nordhessische Naziszene: Eine V-Person des hessischen VS, die mittlerweile verstorben sei, soll um das Jahr 2000 herum ausgesagt haben, dass beide Polizisten sich in der Kasseler Kneipe „Pflaumenbaum“ mit Mitgliedern der nordhessischen Blood&Honour-Szene (B&H) trafen. Zu einer Befragung der beiden Polizisten kam es jedoch erst vergangenes Jahr durch das LKA, etwa 15 Jahre nach dem möglichen Vorfall.

Der erste Zeuge war der ehemalige Polizist Carsten C. Er habe 1996 seine Ausbildung beendet und ab 1999 in Frankfurt am Main gearbeitet bis er 2002 nach Kassel versetzt wurde. Dort sei er in verschieden Polizeirevieren im Streifendienst eingesetzt worden. Seit 2011 sei er aufgrund einer Erkrankung pensioniert. Im fraglichen Zeitraum um 2000 herum habe er nicht in Kassel sondern in Frankfurt gearbeitet und in Fulda gewohnt. In der Gaststätte „Pflaumenbaum“ sei er nie gewesen sondern kenne sie nur vom Vorbeifahren. So der Zeuge. C. äußerte den Verdacht, dass es möglich sei, es wolle sich jemand an ihm rächen und habe daher die Treffen zwischen ihm und B&H erfunden. Den zweiten geladenen Zeugen Maik R. kenne er noch aus seiner Ausbildung, habe danach aber keinen Kontakt mit ihm gehabt. Privat habe er keinen Kontakt in die rechte Szene gehabt, dienstlich auch keinen, der über den üblichen Dienst als Streifenpolizist hinaus gehe, so Carsten C. Allerdings stellte sich in der Befragung heraus, dass er von Juni bis Oktober 2012 Mitglied im Motorradclub „Chicanos“ gewesen war. Die „Chicanos“ teilten sich ein Clubhaus mit den „Bandidos“ in Kassel, die enge Kontakte in die rechte Szene hatten und ihr Clubhaus für Konzerte von Neonazibands zur Verfügung stellten, so etwa 2006 für die Band Oidoxie. Im Oktober 2012 sei er, aufgrund der Kontakte der „Bandidos“ in die organisierte Kriminalität so C., wieder bei den „Chicanos“ ausgetreten. Von Kontakten der „Bandidos“ in die rechte Szene habe er nichts gewusst, sagte Carsten C. Jedoch stellte sich in der weiteren Befragung heraus, dass er Michel Friedrich (ehem. Mitglied in „Oidoxie Street Fighting Crew“ und „Sturm 18“) aus seiner Zeit bei den „Chicanos“ kenne: Sie hätten sich mehrmals unterhalten und auch in einer Gruppe von etwa sieben Leuten gemeinsame Ausflüge nach Dortmund, Siegen oder Schwarthausen bei Kiel mit dem Motorrad gemacht und seien dort zusammen auf Partys gewesen. Über Politisches hätten sie sich dabei nie unterhalten. Bis letztes Jahr seien sie auf Facebook befreundet gewesen.
C. wurde noch weiter zu seiner Facebook-Seite befragt: Laut dieser zeigt er Interesse an nordischer Mythologie. Carsten C. bestätigte dies, er habe z.B. Bücher zu dem Thema gelesen aber nie an einer Sonnenwendfeier oder ähnlichen Festen der rechten Szene teilgenommen. Auf rassistische Beiträge angesprochen, die auf seiner Facebook Seite geteilt sind, gab C. an, er könne sich nicht daran erinnern diese geteilt oder verfasst zu haben und vielleicht sei er gehackt worden.
Die Befragung C.’s zu seinem Kontakt zu Michel Friedrich und seiner Facebook Seite gestaltete sich schwierig: Der Ausschussvorsitzende Hartmut Honka beharrte darauf, dass nur Fragen betreffend des im Beweisantrag festgelegten Zeitraums gestellt werden dürfen und dass über die Herkunft der Informationen über die möglichen Kontakte der beiden Polizisten in die rechte Szene nicht in öffentlicher Sitzung geredet werden dürfe. Da es hierüber unter den Ausschussmitgliedern unterschiedliche Auffassungen gab, musste die Sitzung zwischendurch wieder einmal für eine längere, nicht öffentliche Diskussion über den Ablauf des Ausschusses unterbrochen werden.

Der zweite geladene Zeuge war Maik R. Er soll zusammen mit Carsten C. an Treffen mit B&H-Mitgliedern im „Pflaumenbaum“ teilgenommen haben. Er sagte aus, er sei von 1996-1997 bei der Bereitschaftspolizei in Wiesbaden gewesen, danach bei der Bereitschaftspolizei und Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in Nordhessen, unter anderem als Zivilbeamter. Seit 2006 sei er im Einzeldienst tätig. Carsten C. kenne er noch aus der Ausbildung, habe danach aber keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Auch im Pflaumenbaum sei er mit ihm nie gewesen. Er kenne die Gaststätte, sei aber nie drin gewesen und habe auch keine Kontakte zu B&H, so R. In der Vernehmung durch das LKA 2015 äußerte R. den Verdacht, dass es sich um eine Verwechslung handele und statt ihm ein Maik M. gemeint sein könne, der ebenfalls Polizist sei und auf den die Beschreibung besser passe.

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