„Sie wollen in Beugehaft, oder?“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 23. Sitzung, 11. Januar 2022

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Am 23. Verhandlungstags des Prozesses gegen Franco Albrecht wurde Alexander Jo., Mitsoldat und Freund von Albrecht, vernommen. Insbesondere ging es um das Versprechen von Jo. an Albrecht, für diesen dessen Auto aus München abzuholen, sollte Albrecht im April 2017 aus Österreich nicht zurück kommen. Außerdem war eine Hütte von Albrecht in der Nähe von Straßburg Thema, welche von den Behörden anscheinend nie gefunden wurde. Im Anschluss wurde ein leitender Ermittler des BKA befragt. Dieser sagte aus, dass Albrecht den mutmaßlichen Kauf der Pistole, die am Wiener Flughafen gefunden wurde, in seinem Kalender vermerkt hatte.

Die 23. Sitzung begann mit etwas Verspätung, da Franco Albrecht noch einen Corona-Schnelltest machen musste, bevor der Prozess starten konnte.

Als erster Zeuge des Tages wurde der 32-jährige Alexander Reiner Jo. vernommen, der im IT-Bereich der Bundeswehr tätig und in Straßburg wohnhaft ist. Er lernte Albrecht 2016 dienstlich kennen, die beiden verband auch außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit ein freundschaftliches Verhältnis, das Jo. als „kameradschaftlich“ bezeichnete. Sie gingen laut Jo. etwa einmal die Woche essen. Alexander Jo. wurde im Rahmen der Ermittlungen gegen Franco Albrecht dreimal verhört, zweimal vom BKA und einmal vom MAD. Das Gericht bezog sich in seiner Befragung von Jo. auf dessen Aussagen in diesen Verhören, worauf Jo. aber nur ausweichend antwortete oder auf Erinnerungslücken verwies.

Der Vorsitzende Richter Koller befragte Jo. nach dessen Gesprächen mit Albrecht, insbesondere nach politischen Themen. Dabei hielt er Jo. nach und nach vor, was dieser in bisherigen Vernehmungen gesagt hatte. Etwa, dass sie sich über „Reptiloide“ / Echsenmenschen unterhalten hätten und dass sie über den Holocaust diskutiert hätten. Jo. merkte an, Albrecht habe diesen nicht verleugnet, in ihren Gesprächen hätten sie darüber nur diskutiert. Koller wies darauf hin, dass Albrecht laut einer früheren Vernehmung von Jo. in Frage gestellt habe, ob wirklich sechs Millionen Juden umgebracht worden sein, woraufhin Jo nur sagte, dass dies wohl so gewesen sein wird. Er halte Albrecht für konservativ, aber nicht rechts, worauf Richter Koller entgegnete, dass dies wohl eine Definitionssache sei. Koller wies Jo. darau hin, dass er in einer früheren Vernehmung ausgesagt habe, Albrecht sei der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gegenüber „aufgeschlossen“, was Jo. erneut nicht verneinte. Von der Flüchtlingspolitik seien sie beide „nicht begeistert“ gewesen, so Jo. Des Weiteren ging es in der Befragung um frühere Aussagen von Alexander Jo., Albrecht habe sich bei ihm über Möglichkeiten erkundigt, anonym im Internet zu sein und ins „Darknet“ zu gelangen. Albrecht habe geäußert, es müsse eine Revolte passieren und gesagt, man müsse mal einen Truppentransporter der Bundeswehr zum Bundestag schicken. Jo. wich allen Antworten aus und verwies immer wieder auf Erinnerungslücken, ohne zu sagen, dass seine Aussagen in früheren Vernehmungen falsch seien.

Das Gericht verlor irgendwann die Geduld mit Jo.‘s ausweichenden Antworten und drohte ihm Beugehaft an, wenn er nicht wahrheitsgemäß antwortete. „Sie wollen in Beugehaft, oder?“ und „Was bilden Sie sich ein?“, fuhr Koller Jo. an. Bereits zuvor versuchte Jo.‘s Anwalt jede Aussage zu verhindern, konnte aber keine ausreichende Begründung hierzu vorlegen, da gegen Jo. niemals ermittelt wurde. Doch auch nach einer zehnminütigen Unterbrechung antwortete Jo. wortkarg und berief sich auf Erinnerungslücken.

Das Gericht befragte Jo. weiter zu einem Bild der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung mit einem ihr zugeschriebenen Zitat, das im Chat zwischen ihm und Albrecht getauscht wurde. Koller hielt ihm aus seiner früheren Vernehmung vor, das Albrecht gesagt habe, die Amadeu Antonio Stiftung zersetze Deutschland. Auch hier gab Jo. an, sich nicht mehr erinnern zu können.

Koller hielt Alexander Jo. daraufhin ein Telefongespräch vom 18. April 2017 vor und fragte, worum es dabei ging. Im Verlauf der Befragung stellte sich heraus, dass Alexander Jo. Franco Albrecht versprochen hatte, am 18. April 2017 dessen Auto aus einer Tiefgarage am Münchener Hautbahnhof abzuholen, sollte dieser von einer Reise nach Wien um sein Handy abzuholen, nicht zurück kommen. Die genauen Hintergründe zu Albrechts Reise wurden im Prozess nicht deutlich. Mutmaßlich reiste Albrecht aber nach Wien, um sein bei seiner Verhaftung beschlagnahmtes Handy bei der Polizei abzuholen. Dass er Jo. anscheinend bat, sein Autor abzuholen falls er nicht zurück käme, lässt darauf schließen dass Albrecht eine Verhaftung u diesem Zeitpunkt bereits für möglich hielt. Alexander Jo. gab an, nicht gewusst zu haben, warum er aus Straßburg kommen sollte, um Albrechts Auto abzuholen und dass der weite Weg für ihn ein Freundschaftsdienst gewesen wäre. Zu dem Abholen des Autos kam es schließlich nicht, da Albrecht Jo. in einem codierten Telefonat zu Verstehen gab, dass er es doch selbst abholen könnte. Als Koller ihn nach der Bedeutung des codierten Telefonats und einer durch Albrecht anscheinend vermuteten Überwachung fragte, wich Jo. erneut aus.

Zuletzt fragte das Gericht Alexander Jo. nach weiteren Details aus seinen Gesprächen und Chats mit Albrecht, die in früheren Vernehmungen Thema gewesen waren. So fanden sich im Chat zwischen beiden auch Bilder vom rechten Terroranschlag im Olympia Einkaufszentrum in München 2016. Ob sie sich darüber unterhalten haben, daran wollte Jo. sich aber nicht mehr erinnern. Auch nach Albrechts Parisbesuchen, die Albrecht selbst in Chats als „Business in Paris“ beschrieb, und nach Unterhaltungen zu der türkisch-ultranationalistischen Rockergruppe Osmanen-Germania wurde Jo. befragt, wieder ohne aussagekräftige Antworten. Ebenso gab er an, sich nicht mehr daran erinnern zu können, dass Albrecht laut seiner früheren Aussage eine Hütte bei Straßburg besitze, welche offenbar nicht von den Behörden ausfindig gemacht wurde.

Nach kurzen weiteren Befragungen durch Albrechts Anwälte, diesen selbst und die Bundesanwaltschaft endete die Befragung, in der Alexander Jo. durchgehend (erfolgreich) mauerte und sich auf Erinnerungslücken berief.

Albrecht notierte mutmaßlichen Waffenkauf in Kalender

Als zweiter Zeuge war der BKA-Beamte Andreas Wa. geladen, der federführend mit den Ermittlungen gegen Franco Albrecht betraut war. Er wurde mit Blick auf das nahende Prozessende jeweils kurz zu mehreren Teilstücken der Ermittlungen und deren Ergebnissen befragt.

Die erste Frage drehte sich um die Liste von Politiker*innen und Aktivist*innen, die bei Maximilian Tischer gefunden wurde. Auf der Liste fanden sich Personen wie Joachim Gauck, Heiko Maaß und weitere, teils mit Adresse, eingeteilt in Kategorien von A bis D [Anm. NSU-Watch Hessen: eine Kategorisierung, die an die des Rechtsterroristen Andres Breivik erinnert]. Andreas Wa. sagte hierzu aus, dass ein Handschriftenvergleich eindeutig ergeben hätte, dass die Liste von Maximilian Tischer erstellt wurde. Von diesem wurden auch DNA-Spuren und Fingerabdrücke auf der Liste gefunden, sowie von zwei weiteren Personen. Franco Albrecht und Mathias Fl. seien aber als diese weiteren Personen auszuschließen, von ihnen gäbe es hier keine Spuren. Tischer habe bei seiner Vernehmung gesagt, er wisse nicht mehr, warum er diese Liste erstellt habe, er habe aber nichts damit vorgehabt.

Als nächstes wurde Wa. zu den Ermittlungen bezüglich Albrechts Reisen nach Paris befragt und ob er sich dort mit der Vorsitzenden des Pariser Büros des russischen Thinktank „Institut de la Démocratie et de la Coopération“, Natalia Narochnitskaya, getroffen habe. Bei dem „Institut“ handelt es sich um ein vom russischen Staat gegründeten Thinktank zur Beobachtung westlicher Staaten, das in extrem rechte Netzwerke eingebunden ist. Albrecht habe ausgesagt, dass er am 28. Juli 2016 in Paris ein Gespräch mit dessen Vorsitzenden geführt habe und Bilder auf seinem Mobiltelefon dies belegen könnten. Bereits zweimal zuvor, am 21. April 2016 und 14. Juli 2016 habe er in Paris versucht, ein Gespräch mit ihr zu führen, jedoch erfolglos. Laut Wa. seien keine Bilder auf dem Telefon gefunden worden, die dies belegen könnten. Nachfragen von Albrechts Verteidigung warfen jedoch Fragen auf, ob die französische Polizei dem ausreichend nachgegangen sei. Eine Reisebuchung für den 28. Juli und Google-Suchanfragen und Chats zwischen Albrecht, Alexander Jo. und Maurice Re. für den 14 Juli und 09. September 2016 hätten aber Hinweise auf Reisen nach Paris gegeben. Gegenüber Alexander Jo. nannte Albrecht „Business :)“ als Grund für eine Paris Reise. In der Vernehmung von Natalia Narochnitskaya konnte diese sich daran erinnern, dass ein Mann, der sich ihr als ehemaliger Soldat vorstellte, bei ihr unangekündigt im Büro auftauchte und mir ihr ein Gespräch über „Europa und verlorene Werte“ führen wollte. Sie hatte den Eindruck, die Person vertrete radikale Ansichten und wollte herausfinden, ob sie diese teile. Ob es Albrecht gewesen war konnte sie aber nicht schlussendlich sagen, weshalb es keinen klaren Beleg für das Gespräch zwischen Albrecht und ihr gebe. Außerdem sagte Andreas Wa. aus, dass es im Kalender von Franco Albrecht für den 28. Juli 2016, dem Tag, an dem er in Paris war, einen Eintrag gibt mit der genauen Modellbezeichnung jener Pistole, die er Monate später am Wiener Flughafen versteckte.

Richterin Adlhoch fragte Andreas Wa. als nächstes zu einer Chatkommunikation zwischen Albrecht und Maurice Re. rund um den 3. Februar 2017, der Tag, an dem Albrecht nach Wien flog und die Pistole aus dem Versteck am Flughafen holen wollte. In den Chats, die bereits am 16. Verhandlungstag verlesen wurden, ging es um gemeinsame Treffen, ob Albrecht bei Re. für seinen Wienaufenthalt unterkommen könnte und ob sie gemeinsam weiterfahren würden. Seinen Aufenthalt in Wien begründete Albrecht auch hier mit „Business“. Anschließend fragte Adlhoch, ob laut den Ermittlungen Maximilian Tischer und Maurice Re. über die Waffe am Wiener Flughafen informiert gewesen seien. Wa. erklärte, dass beide ausgesagt hätten, erst davon erfahren zu haben, nachdem Albrecht die Waffe versteckte. Wa. erwähnte aber die Bilder und das Video, das Albrecht vom Waffenversteck an eine gemeinsame Whats-App-Gruppe mit Tischer und Re. schickte, dass Maurice Re. mit Albrecht zweimal zeitlich rund um das Verstecken der Waffe telefonierte, einmal bevor Albrecht die Bilder verschickte und einmal danach. Nach dem letzten Telefonat kommentierte Re. die Bilder des Waffenverstecks mit einem Smiley in der gemeinsamen Chatgruppe.

59 aktive Mitglieder in Telegramm-Chatgruppe „Süd“

Zuletzt fragte Koller nach der Telegram-Chatgruppe „Süd“: „Mich würde interessieren, was die Ermittlungen ergeben haben, wie die Gruppe einzuordnen ist, Planungen darüber hinaus und was in den Chats steht“. Wa. antwortete, die Gruppe sei bekannt geworden durch die Auswertung von Albrechts Mobiltelefon in Wien. Damals habe es 59 Mitglieder gegeben, die auch geschrieben haben. Weitere, die nur mitlesen, würde man nicht erkennen. Unter den 59 waren auch drei Bundeswehrsoldaten aus CALW [Stützpunkt des KSK, Anm. NSU-Watch Hessen], darunter auch der Administrator Andre S. alias „Hannibal“. Albrecht war Mitglied in der Gruppe. Diese richtete sich vornehmlich an „Prepper“ aus dem Süddeutschen Raum. Der Grundsatz in den Chats sei gewesen, „Empfangsbereitschaft und Funkstille“ zu halten, aber keine Diskussionen zu führen. Es wurden in der Gruppe Lagemeldungen geteilt, von den Administratoren zusätzlich Dinge zur tagespolitischen Situation, zu innerer Sicherheit, „Pickup Points“ und „Safe Houses“. Laut dem Chat solle es einige davon geben, so Andreas Wa. Das BKA hätte die Personen als Zeugen gesucht. Es gab mindestens zwei persönliche Treffen der Gruppe, an denen Albrecht teilgenommen habe. Zwei Zeugen, L. und B., hätten ausgesagt, dass Albrecht sie unabhängig voneinander befragt hätte, wie er an Waffen komme.

Nach einigen Nachfragen von Albrecht selbst und weiteren kurzen Nachfragen des Gerichts wurde Andreas Wa. als Zeuge entlassen.

Zuletzt fragte Richter Koller Franco Albrecht nach dessen familiären Verhältnissen und seinem Einkommen, um ein Strafmaß bei einer eventuell zustande kommenden Geldstrafe abmessen zu können. Kurz vor Schluss meldete sich Franco Albrechts Anwalt Hock noch zu Wort, der beklagte, dass das Verfahren in den letzten Tagen ihm zu „gesinnungslastig“ gewesen sei. Nachdem das Gericht das Programm der nächsten Prozesstage ankündigte, endete der Prozesstag.

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