„Mein Vorräte sind angelegt“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 20. Verhandlungstag, 25. November 2021

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Am 20. Verhandlungstag ging es zumeist um Albrechts illegale Waffen, Schießtrainings und seine Aktivitäten in der Telegrammchatgruppe „Süd“ und mögliche Verbindungen zum Verein „Uniter“. Vernommen wurden u.a. der bayrische Waffenhändler Rainer He. Das Gericht zeigte sich zuletzt entnervt von Albrechts puzzlestückhaften Aussagen.

Zu Beginn der 20. Sitzung thematisierte das Gericht, dass in einer Ausgabe der Zeitung des AStAs der Universität Frankfurt ein Outing-Flyer zu Franco Albrecht, der an der Uni als Student eingeschrieben ist, abgedruckt wurde. Hierzu wurden ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der hierüber berichtete, und auf Wunsch Albrechts Verteidiger der Abdruck des Outing-Flyers in der AstA-Zeitung selbst vom Gericht verlesen. Die AstA-Zeitung wurde Albrecht selbst wie allen Studierenden zugesandt. Der Vorsitzende Richter Koller erwähnte, dass dies sich ggf. positiv auf Albrechts Strafzumessung auswirken werde. Danach erkundigte er sich bei Albrecht, wie es ihm mit dieser Veröffentlichung gehe. Albrechts sagte, aktuell lege er wegen des Prozesses und aus familiären Gründen ein Urlaubssemester ein, sei demnach nicht an der Universität. Natürlich sei es für ihn jetzt aber schwieriger an der Uni, ansonsten sehe er dies als eine „Links-Rechts-Sache“ an, bei der er gar nicht weiter ins Detail gehen wolle. Er selbst sei auch „gegen Faschismus“ und für einen „aufrichtigen Antifaschismus“, so der Bundeswehrsoldat, der u.a. extrem rechte Aussagen wie „Hitler steht über allem“ traf. Außerdem beschuldigte Albrecht eine ehemalige Tageszeitung- (taz) und heutige DIE ZEIT-Journalistin, sie hätte Artikel über ihn geschrieben, die in eine ähnliche Richtung gingen würden, dies hier „seien die Auswüchse, in die das geht“.

Laut Zeugin keine Einflussnahme durch BKA

Als erste Zeugin des Tages wurde Sylvia M. vom Jobcenter ARUSO Erding befragt. Sie hatte 2017 Franco Albrecht unter seiner Tarnidentität als David Benjamin den Anspruch auf Sozialleistungen nach SGBII bewilligt. Albrecht habe sie aber nie getroffen, sondern aufgrund der Aktenlage entschieden. Sie betonte, wie wichtig die Zahlungen nach SGBII für Menschen seien, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn sie kein anderes Einkommen haben. Als Sachbearbeiter*innen müssten sie immer nach der Aktenlage entscheiden. Lägen laut der Akte keine Gründe vor, die Zahlungen zu verweigern, z.B. Hinweise auf nicht angegebenes Vermögen oder eine andere örtliche Zuständigkeit, müssten sie positiv bescheiden.

Das Gericht befragte sie noch nach einem Anruf vom BKA am 15. Februar 2017, in dem sich eine Mitarbeiterin vom BKA nach der Akte von David Benjamin erkundigt hatte. Das Gespräch sei Sylvia M. noch gut im Gedächtnis, da sie das Kürzel BKA zuerst versehentlich für eine Krankenkasse gehalten habe, was ihr im Nachgang peinlich war. Auch das Schriftbild von Albrecht in der Akte sei ihr komisch vorgekommen, da es anders aussah als das von anderen Geflüchteten aus dem arabischen Raum, woran sie sich noch erinnerte.

Nach dem Gespräch mit dem BKA sprach sie sich mit ihren Vorgesetzten rück und fertigte einen Vermerk an, laut dem das BKA gesagt habe, sie solle den Antrag „ganz normal bewilligen“. Albrechts Verteidigung konstruierte hieraus die These, dass die Gelder die Albrecht unter seiner falschen Identität als Geflüchteter nur erhielt, weil das BKA angeordnet habe, den Bescheid zu bewilligen und Albrecht somit von dem Betrugsvorwurf freizusprechen sei. Frau M. stellte in ihrer Befragung klar, dass dem nicht so gewesen sei: Sie habe damit nur gemeint, dass das BKA nicht gesagt habe, dass sie den Fall zurück halten sollten, sondern damit wie üblich weiter verfahren sollten. Da aufgrund der Aktenlage der angebliche Geflüchtete David Benjamin Anspruch auf die Zahlungen hatte, wurde der Bescheid bewilligt. Sie stellte auch klar, dass selbst wenn das BKA sie dazu aufgefordert hätte, den Antrag nicht zu bewilligen, sie dem auch nicht einfach Folge geleistet, sondern mit ihren Vorgesetzten gesprochen hätte. Sie selbst könne nichts entscheiden.

Telegrammchatgruppe „Süd“

Nach der Entlassung der ersten Zeugin fragte der Vorsitzende Richter Koller Albrecht erneut nach den Waffen. Er fragte ihn, ob das G3-Gewehr, das er besaß, eine militärische oder zivile Version der Waffe sei und ob Albrecht seine Waffen (von denen zwei bis heute verschwunden sind) aus Beständen der Bundeswehr hätte. Albrecht wollte hierzu grundsätzlich nichts sagen.

Danach gab Koller Albrecht noch die Möglichkeit etwas zur Chatgruppe „Süd“ und zum Verein „Uniter“ zu sagen, bevor der nächste Zeuge hierzu aussagen würde. „Wer ist in dieser Vereinigung, wollen Sie hierzu etwas sagen?“ so Koller. Albrecht antwortete, er sei von einem anderen Soldaten in die Gruppe eingeladen worden. Den Namen wollte er in der Öffentlichkeit nicht nennen, der Name stehe aber in der Akte. Nach Albrecht ginge es in der Gruppe darum, sich auf „Unruhemeldungen“ vorzubereiten. Es habe in den Chats regelmäßig „Lagemeldungen“ gegeben, etwa zur Situation zwischen Russland und dem Westen und zum möglichen „Missbrauch von Flüchtlingen als Schläfer“. Einige in der Gruppe seien Soldaten, andere Polizisten oder Waffenladenbesitzer gewesen. Er sei auf zwei persönlichen Treffen der Chatgruppe gewesen, so Albrecht. Danach erklärte Albrecht mit Bezug auf den, in rechten und verschwörungsideologischen Kreisen als „Hellseher“ angesehenen, Autor Alois Irlmeier, wie sich Ereignisse der letzten Jahre als Anzeichen für einen Dritten Weltkrieg ansehen ließen.

Richter Koller befragte Albrecht, ob in der Chatgruppe auch Bewaffnung ein Thema gewesen sei und wie die Chatgruppe im Zusammenhang mit dem Verein Uniter stehe. Albrecht antwortet, dass in der Chatgruppe Waffen kein Thema gewesen seien. Über die Verbindung zu Uniter sagte Albrecht nur, dass er dort kein Mitglied ist oder gewesen sei, aber dass es sich um eine Wohltätigkeitsvereinigung für Soldaten handele. Außerdem führte er zu seinen Prepper-Aktivitäten aus: „Mein Vorräte sind angelegt, der illegalen Anteile habe ich mich entledigt, die legalen werde ich behalten“.

Richter Koller fragte nach Kommunikation in der Chatgruppe zu sog. „Safe Houses“. Albrecht sagte, er habe nie eines betreten. Daraufhin hielt Koller ihm Nachrichten aus dem Chat vor: „GUP Ausreichend Waffen und Munition nahe Nürnberg vorhanden, um sich weiter durch zu schlagen“ und weitere Nachricht 9 Minuten später, in der dazu aufgefordert wurde, dass solche Nachrichten in Zukunft ausgelassen werden sollten. Albrecht entgegnete daraufhin, dass er davon ausgehe, dass der Schreibende die Waffen legal besessen habe und betonte die vermeintliche Schutzabsicht als Kerngedanken in dieser Gruppe, was er als „lobenswerte staatsbürgerliche Art und Weise“ lobte. Koller entgegnete, dass man die Gruppe auch so interpretieren könne, dass es darum gehe, einen Zustand auszunutzen, also Bewaffnung um die Macht zu übernehmen. Albrecht wies dies zurück.

Daraufhin fragte Koller Albrecht zu verschiedenen Waffenteilen, die er sich besorgt hatte und zu Schießtrainings, auf denen er gewesen war. Zum Beispiel ging es um ein qualitativ eher minderwertiges Zielfernrohr für sein illegales G3 Sturmgewehr, dass Albrecht gekauft habe, nur um es mal auszuprobieren, so er selbst. Auf die Frage, ob er in Tschechien zum Schießen war, antwortete Albrecht mit Nein.

Nach einer kurzen Beratungspause für das Gericht wurde die Verhandlung fortgesetzt. Koller konfrontierte Albrecht damit, dass laut dem Zeugen Rainer He. Albrecht Patches vom Verein Uniter bei ihrem ersten Treffen getragen habe. Albrecht berichtete, dass er diese bei einem der Treffen der Chatgruppe mitgenommen habe, die als Erkennungszeichen für einen „Pickup Point“ gedacht seien, um in ein „Safe House“ gebracht zu werden. Ob es solche „Safe Houses“ real gebe, könnte er nicht sagen, antworte er auf Nachfrage. Als Koller ihn darauf hinwies, dass es nicht logisch sei, dass er Erkennungszeichen für „Pickup Points“ mitnehme, ohne zu wissen ob es die Safe Houses gebe, begründete Albrecht es damit, dass dies aus der Situation entstanden sei. Er habe zwei Stück besessen, eins habe er an Rainer He. weitergegeben.

Vernehmung des Waffenhändlers Rainer He.

Als nächster Zeuge wurde der Waffenhändler Rainer Franz Michael He. aus dem bayrischen Vohenstrauß befragt. Er berichtete auf Nachfrage, wie er Albrecht kennen gelernt habe. Er betreibe nebenberuflich mit einem Partner einen Laden wo er on- und offline Schusswaffen, Zubehör und Outdoorbedarf verkaufe. Albrecht stand eines Tages im April 2016 vor der Tür und wollte Zubehör kaufen. Er habe dann eine Montageschiene für ein G3-Gewehr und ein passendes Zielfernrohr für eine Softair- oder Kleinkaliberwaffe gekauft. Der Verkauf wurde auf Wunsch von Albrecht als Barverkauf ohne Namen aufgenommen, meint sich He. zu erinnern. Sie seien ins Gespräch gekommen, auch wegen Albrechts Auto mit Bundeswehrnummernschild. Sie hätten sich dann über den Beruf des Soldaten unterhalten und Albrecht habe ihm seine Nummer gegeben. Albrecht habe bei dem Treffen gesagt, er komme aus Tschechien oder fahre dort gerade hin, so genau wisse er das nicht mehr, so He. Im Juli habe es ein zweites Treffen gegeben. Albrecht habe gesagt, er sei in der Gegend gewesen. Bei diesem Treffen seien sie gemeinsam auf den örtlichen Schießstand gefahren. Dort habe Albrecht mit einem G3 Gewehr geschossen, ob es eine zivile oder militärische Version oder eine Softairwaffe gewesen sei könne er nicht mehr sagen, jedenfalls sah es recht neu aus, so Rainer He. Das Gewehr habe Franco Albrecht in einer Gitarrentasche transportiert. Bei He. habe er sich nach weiteren Ersatzteilen für eine Browning-Pistole und für ein Gewehr der Marke Landmann-Preetz erkundigt. He. habe ihn daraufhin an einen anderen Laden verwiesen. Im Oktober habe er Albrecht zum „Range Day“ des Waffenladens eingeladen, wo Besucher verschiedene Waffen Probe schießen konnten, dies sei im Oktober 2016 gewesen.

Albrecht habe ihm außerdem von der Telegram-Chatgruppe „Süd“ erzählt, in die er dann eingetreten sei, allerdings nur um dort Werbung für seinen Waffenladen zu machen, so Rainer He. In Der Gruppe ginge es viel um einen Krieg mit Russland, Prepping usw. Er selbst würde sich nicht als „Prepper“ bezeichnen, er habe schließlich nur Lebensmittel für 3-4 Wochen zu Hause vorrätig, so He. Er sei in der Gruppe bis 2017 gewesen.

Als Albrecht das erste Mal in seinem Laden gewesen war, habe er auf der Kleidung einen Patch getragen, mit dem Abbild eines Schwerts mit Eichenlaub. Da seien sie ins Gespräch gekommen. Albrecht habe gesagt, dass der Verein Uniter Soldaten nach deren Arbeitsende Arbeit vermittele, so Rainer He. Er sei dann Mitglied bei Uniter geworden, seiner Aussage nach nur um Werbung für seinen Laden zu machen. Von einem weiteren Zweck des Patches als Erkennungszeichen und „Pickup Points“ will er nichts gehört haben. Richter Koller hält ihm vor, dass er ausgesagt habe, laut Albrecht seien die Chatgruppe „Süd“ und der Verein Uniter ein „besonderer Teil der Bundeswehr, die Ausbildung machen“. He. bestätigte diese Aussage gemacht zu haben. Insgesamt zog sich die Vernehmung von Rainer He. durch das Gericht deutlich, da dieser möglichst kurze und vage Aussagen machte.

Nach einer kurzen Frage durch Albrechts Anwalt Schmitt-Fricke befragte Albrecht den Zeugen selbst, wobei sich beide duzten. Er fragte He., wie er sich bei ihrem ersten Treffen vorgestellt hätte („Franco“), ob er ihn, wenn sein Bild wegen eines Anschlags durch die Medien ginge, auch identifiziert und gemeldet hätte (Ja) und ob sie sich über bevorstehende Bedrohungen ausgetauscht hätten. Danach wurde Rainer He. entlassen.

Eine „objektive Verbindung“ zwischen Ausspähen und Waffenkauf

Im Anschluss wurde noch die Waffenhändlerin Eva Maria E. vernommen, an die Rainer He. Albrecht verwies wegen weiteren Waffenersatzteilen. Es ging um einen Kauf von Ersatzteilen durch Albrecht am 27.06.2016. Allerdings hatte sie keine Erinnerungen hieran. Sie wusste auch nicht, oder ob sie oder ein Angestellter den Verkauf tätigten. Nach kurzer Zeit wurde sie wieder entlassen.

Zum Schluss den Prozesstags richtete Richter Koller sein Wort erneut an Franco Albrecht: „Sie sagen immer, dass das Konstrukt der GBA, dass Sie einen Anschlag vorhatten, ein Hirngespinst ist, da gibt es meines Erachtens aber Indizien hierfür. Ein Indiz ist, dass Sie am 22.06.2016 in der Tiefgarage in Berlin (bei der Amadeu-Antonio-Stiftung) waren, drei Tage später versuchen Sie für die Browning etwas zu erwerben und einen Tagt später sind Sie auf dem Schießstand. In der gleichen Zeit wie Sie Frau K. möglicherweise ausspähen, beschaffen Sie sich auch Waffen. Da kann man auf die Idee kommen, das hat was miteinander zu tun.“ Da gebe es eine objektive Verbindung von wenigen Tagen, ihn interessiere, ob es da auch eine Verbindung in seinem Kopf gebe, zwischen den Waffen und der Tiefgarage, so Koller. Albrecht antwortete, dass man auf die Idee kommen könne, es aber keine Verbindung gebe. Er sei mit den Waffen in Bayern gewesen, hätte sie aber auch schon davor und danach besessen. Frau K. habe er aufgesucht wie er auch andere Menschen unangekündigt aufgesucht hätte, so Albrecht. Koller sagte daraufhin: „ Ich könnte Ihnen viel besser glauben, wenn Sie mal alles sagen würden. Wir haben heute erfahren, dass die drei Waffen nicht nur in Offenbach und Illkirch waren sondern auch in Bayern. Wenn Sie mir dazu mal alles sagen, habe ich das Gefühl, das ist eine schlüssige Geschichte. Sie werfen uns Bruchstücke hin, das ist nicht schlüssig“, so Koller. Auf die Frage, woher er die Waffen hatte und wo sie jetzt sind, wollte Albrecht keine Angaben machen, er habe aber mit mindestens zwei in Vohenstrauß geschossen. Eine Gitarrentasche habe er möglicherweise für den Transport genutzt, zum einen weil er nichts anderes hatte, zum anderen weil es auch unauffälliger sei.

Damit endete der Prozesstag.

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