„Wir werden diesen Kampf siegreich beenden“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 19. Verhandlungstag, 10.November 2021

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In der 19. Sitzung wurden zwei Beamt*innen des BKA befragt, die Hausdurchsuchungen und Ermittlungen zu Albrechts Waffen- und Munitionsvorräten durchführten. Im Anschluss wurden weitere Audiomitschnitte von Albrecht abgespielt, in denen er bizarre Reden an ein imaginäres Publikum hielt. Darin offenbarte er erneut eine extrem rechte Ideologie und rief zum Kampf auf.

Der 19. Prozesstag begann mit ein paar Minuten Verspätung, da die Audioanlage im Gerichtssaal 165C des OLG Frankfurt noch getestet wurde. Als erster Zeuge wurde der Polizist Reiner G., Kriminalhauptkomissar (KHK) beim BKA in Meckenheim, befragt. Er war an der Hausdurchsuchung des Wohnheimzimmers von Albrechts Freund Mathias Fl. am 26. April 2017 beteiligt. Auf Nachfrage des Gerichts erzählte er über Umstände und Verlauf der Hausdurchsuchung: Er sei Teil eines Teams gewesen, das den Auftrag hatte, das Wohnheimzimmer von Mathias Fl. zu durchsuchen. Über das Studierendenwerk in Gießen lokalisierten sie, welches Zimmer genau im Studierendenwohnheim in Friedberg von Fl. bewohnt wurde. Bei der Hausdurchsuchung trafen die Beamt*innen s Fl. selbst an und durchsuchten das kleine Studierendenappartement bestehend aus Vorraum mit Waschbecken, Schlaf- und Wohnzimmer und einer Kammer, die als Kleiderschrank diente. Dort fanden sie einen braunen Karton und einen Farbeimer mit verschiedenen Arten von Munition, Granaten und weiteren militärischen Ausrüstungsgegenständen. Darunter ein Munitionskasten mit Rauch- und Signalgranaten, Signalmunition, vier Verpackungen noch original verschweißter Munition, eine Munitionskiste mit Bundeswehraufschrift, Simulatorbodensprengpunkte, Knicklichter, Standardmunition der Bundeswehr, Handwaffenmunition und Ähnliches. Nach dem Fund hätten sie die Durchsuchung sicherheitshalber unterbrochen und auf einen Entschärfer gewartet, der attestierte, dass die Gegenstände sicher zu bewegen seien. Danach hätten sie die Gegenstände in der Küche des Wohnheims asserviert, so der Zeuge G.

G. sagte weiter, dass Mathias Fl. daraufhin vorläufig festgenommen worden sei, an der anschließenden Befragung auf der Dienststelle in Friedberg sei Reiner G. auch beteiligt gewesen. Darin äußerte Fl., dass er daran glaube, dass ein dritter Weltkrieg bevorstehe. Die Behältnisse gehörten nicht ihm, er habe sie für einen Freund verwahrt und habe nicht gewusst, was drin ist, so Fl. in der Vernehmung. Den Namen wollte er zuerst nicht nennen. Später habe er doch Albrechts Namen genannt und beschrieben, dass sie sich in der Bar „Heimathafen“ in Offenbach auf ein Bier getroffen hätten und Albrecht ihn da gebeten habe, die Gegenstände zu verwahren. Albrechts Begründung sei gewesen, dass er Probleme mit einer Waffe in Wien gehabt hätte.

Einer der Verteidiger von Albrecht, Moritz Schmitt-Fricke, befragte G. daraufhin zu der Vernehmung von Albrechts Freund Christoph Ka. G. antwortete, er könne sich daran erinnern, dass Ka. in der Vernehmung gesagt hätte, dass Albrecht die o.g. Gegenstände zuerst im Heizungsraum des Ruderclubs verwahrt hatte und Ka. dazu informierte. Ka. sei dann mit seiner Partnerin hingefahren und hätte die Waffen und Munition in seinen Spind gepackt, da es zu gefährlich sei, diese im Heizungskeller zu lassen. Daraufhin habe er Albrecht gesagt, dass dieser die Sachen schnell abholen soll. Auf Nachfrage Schmitt-Frickes erzählte G., dass Ka. die Taten Albrecht nicht zugetraut habe und das Verstecken der Waffen im Ruderclub als Vertrauensbruch gesehen habe. Ka. habe in der Vernehmung geäußert, dass Albrecht seine Zweitidentität damit begründete, dass er etwas journalistisch aufdecken wolle. Außerdem hielt Schmitt-Fricke dem Zeugen vor, dass er Ka. in der Vernehmung gefragt habe, ob Albrecht in seinem Keller drei Gewehrmagazine und 22 gefüllte Benzinkanister habe. Der Zeuge Reiner G. sagte hierzu jedoch nichts Konkretes und wurde danach entlassen.

Albrecht will nicht sagen, ob er die Munition und Granaten gestohlen hat

Bevor die nächste Zeugin aussagte, gab der Vorsitzende Richter Koller Franco Albrecht die Möglichkeit, den Diebstahl der Waffen bei der Bundeswehr zu gestehen: „Sie sind nicht verpflichtet Ihre Unschuld zu beweisen. Ihr Problem ist, dass wir alles würdigen müssen. Selbst wenn wir Ihnen gutwillig folgen, haben wir auf der Tatsachenebene Angaben von Ihnen, die wir als widerlegt ansehen. Ich frag einfach mal: Wo kommen die Sachen, die bei Fl. gefunden wurden, her? Wenn Sie es jetzt sagen, wäre es besser für Sie, als wenn Sie es nach der nächsten Aussage sagen“. Albrecht antwortete darauf: „Ich kann dazu nichts sagen, weil ich niemanden damit weiterhin behelligen möchte“. Daraufhin wurde die nächste Zeugin in den Saal gelassen.

Annika V. ist ebenfalls KHK beim BKA in Meckenheim und hat die Durchsuchung in Mathias Fl.s Zimmer in Friedberg geleitet. Im Anschluss war sie damit betraut, die Herkunft der Munition und Sprengkörper festzustellen. Hierzu habe sie die Losnummern der Patronen ans Bundesverteidigungsministerium geschickt. Einzelne Patronen seien nicht nummeriert, es gäbe aber Chargennummern und Losnummern, die eine noch kleinere Einheit kennzeichnet. Die Bundeswehr habe einzelne Losnummern auch an verschiedenen Standorten, der Weg lasse sich aber dennoch nachverfolgen. Ergebnis der Prüfung sei gewesen, dass zwar nicht alle zugeordnet werden konnten, eine Vielzahl der Asservate aber an den Bundeswehrstandorten in Hammelburg und Illkirch genutzt wurden. Der Großteil stamme aus Hammelburg aus der Zeit während Albrecht dort stationiert war. Von Januar bis Juni 2015 hatte er dort die Funktion des Waffenwarts und von November bis Dezember die des stellvertretenden Munitionswarts.

Im Anschluss an die Fragen des Gerichts befragte Albrecht selbst die Zeugin, während seine Anwälte Richtung Decke starrten. Er befragte sie zu der Hausdurchsuchung bei den Eltern von Mathias Fl., an der sie auch beteiligt gewesen war. Dort wurde u.a. ein Sportbogen, eine ungeschliffene Machete, elektronische Datenträger und das Buch „Mein Kampf“ sichergestellt. Zu dem Sportbogen hielt Albrecht ihr eine Chatnachricht von Fl. vor, in der er sagte, der Bogen käme erst raus, wenn der Krieg ausbreche. Dass Mathias Fl. mit einem Studienkollegen, der aus Syrien stammt, gechattet habe, nahm Albrecht zum Anlass der Polizistin einen Vermerk vorzuhalten, in dem sie schrieb „dass Fl. kein generelles Problem mit Ausländern“ habe. Die Zeugin bestätigte die Funde und dass sie dies in dem Vermerk geschrieben hatte. Anschließend ging Albrecht noch auf die Machete ein und betonte, dass Fl. diese von ihm habe, sie aber nicht geschliffen sei und er sie Fl. zu Selbstschutzzwecken gegeben habe. Es ginge nur um den Kriegsfall. Richter Koller merkte an, dass es nicht logisch klinge, sich im Krieg mit einer Machete verteidigen zu wollen. Damit eine Tat begehen zu wollen klinge dagegen logischer.

Koller fragte daraufhin Albrecht, ob dieser immer noch einen bevorstehenden Krieg erwarte. Albrecht sagte, dies sei heute für ihn „eher abgekühlt“, wobei er das Thema auch heute „nicht aus dem Auge lasse“. Er lege aber keine Vorräte mehr an. Daraufhin erklärte er, dass die Munition die bei Fl. gefunden wurde, von ihm stamme und sie von der Bundeswehr stamme. Auf die Nachfrage, ob er sie von der Bundeswehr gestohlen habe, wollte Albrecht aber nicht antworten.

Bizarre Reden und der Aufruf zum Kampf

Schon vor der Befragung der Zeugin V. wurden Audiomitschnitte abgespielt und im weiteren Verlauf der Sitzung fortgesetzt. Die Mitschnitte nahm Albrecht mit seinem Handy auf. Die in der 19. Sitzung abgespielten Aufnahmen stammen alle vom 23. November 2016. Albrecht nahm sie offenbar während einer Autofahrt auf während Musik im Hintergrund gespielt wurde. Die Aufnahmen beinhalten alle bizarre pathetische Reden, die Albrecht an ein imaginäres Publikum richtete.

In der ersten abgespielten Aufnahme (Nr. 118 auf Albrechts Mobiltelefon) beschrieb Albrecht sein scheinbares Selbstverständnis als „Konservativer“ und „Patriot“: „Wir als Konservative müssen uns als Patrioten verstehen, denn Patrioten sind keine Nationalisten. Patrioten lieben ihre Kultur, Land und Ursprung und halten daran fest“. Alles andere sei ein „Götzendienst“ und eine „falsche Achtung gegenüber fremder Kulturen“. Wirtschaftliche Fragen spielten keine Rolle.

In der zweiten Aufnahme (Nr. 119) spricht Albrecht vom „Kampf“ und äußert Dinge, die sich als positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus verstehen lassen. Es gehe darum, dass „wir diese Loser-Metalität ablegen“. „Der Deutsche“ habe „gut gekämpft aber doch verloren… Wir werden diesen Kampf siegreich beenden, nicht nur für uns sondern für Alle“. Albrecht ruft in der Rede dazu auf „gegen diese Kabale“ vorzugehen. Auf Erden habe das Paradies existiert, doch „wir haben es verachtet und nicht genügend geschätzt“, so Albrecht. Der „Kampf ums Paradies“ werde in einem „absoluten Sieg der Liebe über dieses Teuflische, was uns aktuell gefangen hält“ münden. Im weiteren Verlauf sprich Albrecht wirres Zeug über Radios und Filme als Metaphern für Menschen und über eine „Bevormundung“ einer „gesellschaftlichen Matrix“ und erklärt an sein imaginäres Publikum pathetisch und inbrünstig: „Dann wird unser Volk und alle anderen wieder auferstehen… Regeln und Gesetze sind ein teuflisches Konstrukt, die gelten für uns ab heute nicht mehr. Der Beweis ist, das wir heute zusammen gekommen sind“.

Auf die Nachfrage des Richters Koller antworte Albrecht, dass er kein bestimmtes Publikum bei der Rede vor Augen hatte sondern „random Leute“. Der Part, in dem er sagte, Gesetze gelten für ihn nicht, sei nicht wörtlich zu verstehen. Es gehe hier nicht um das Grundgesetz, sondern um die „soziale Matrix“. Auf die Nachfrage, wer denn die „soziale Matrix“ und Normen seiner Ansicht nach bestimmen würden, äußerte Albrecht antisemitische Verschwörungsideologien im Gericht: Es gebe natürlich auch „politische Interessen“ aber wer bestimme sei auch eine „natürliche Sache“, so Albrecht. Dies sei keine klar umrissene Gruppe sondern „diejenigen, die Geld haben und Lobby nutzen“. Ob er denn das Judentum meine, fragte Koller. Albrecht antworte nein, das Judentum spiele da keine Rolle, es gehe um „Zionismus“, auch wenn unter Zionisten „vermehrt Juden“ seien, so Albrecht. Zionismus sei wie Islamismus, so Albrecht weiter. Koller meinte, er könne dies alles nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht sei das alles „Geschwurbel“ bei dem Albrecht scheue, „den letzten Schritt zu gehen“ und die aus seiner Sicht Verantwortlichen klar zu benennen. Wenn sie als Richter Sätze hörten wie, ‚Gesetze gelten für uns heute nicht mehr‘ und das mit den Anklagevorwürfen zusammen dächten, falle es ihnen schwer, Albrechts Begründungen zu glauben.

Albrecht wiederholte darauf, dass der Aufruf zum Kampf nicht wörtlich zu verstehen sei, sondern dass es um „Metaphysisches“ gehen würde. Koller meinte hierzu, wenn er an die Waffen denke, die Albrecht besaß „kann es ganz schnell physisch werden“.

In der nächsten abgespielten Audioaufnahme (Nr. 120) begann Albrecht eine Rede mit Ausführungen zu Ying und Yang, den Unterschieden zwischen den Menschen und weiteren esoterischen Ausführungen, dass alle Menschen Gutes und Böses in sich hielten. Dann fuhr er fort, „Der Mensch muss geführt werden, wie ist egal… Menschen die sich der Führung nicht hingeben, können wir nicht akzeptieren“. Im weiteren Verlauf äußerte er, dass „Moslems“, die friedlich seien und wollten, dass Deutschland stark sei, nicht ihre Feinde seien. Andere „Moslems“, die sich selbst wie Gastgeber verhielten, könnten nicht ihre Freunde seien. Moslems müssten akzeptieren, dass „wir“ die Hoheit hätten und die Gesetze machten, darüber gebe es keine Diskussion, so Albrecht in seinen völkischen Vorstellungen.

In der nächsten Aufnahme (Nr. 121) gab Albrecht sein Feindbild Antifaschismus und erneut wirre Verschwörungstheorien hierzu preis. Die „Antifa ist gleich die SA von heute“, so Albrecht. Eine „motivierte bezahlte Schlägertruppe“, die „Sonderpreise für Flüchtlinge“ mache. Den „tragenden Köpfen“ der Antifa sei gar nicht bewusst, dass sie „beauftragt“ wurden, „sie checken nicht einmal, was da los ist“. Wer genau diese vermeintlichen „Auftraggeber der Antifa“ sind, sagte Albrecht mal wieder nicht. Daran anschließend gab er in der Aufnahme noch von sich, dass heute nur noch ganz wenige „echte Männer“ gebe.

In der fünften Aufnahme des Tages (Nr. 122) gab Albrecht eine Reihe narzisstischer Selbstbeschreibungen von sich, in denen er seine eigene herausragende Position und Charaktereigenschaften lobte: Was er sage habe Gewicht und Geltung, er sei kein „Rotzbengel“ sondern er sei derjenige, der alles sagen dürfe. Er zweifle nicht,sondern tue es einfach, dazu habe er jedes Recht. Dieses Bewusstsein durchströme seinen ganzen Körper usw., so Albrecht über sich selbst.

In der nächsten Aufnahme (Nr. 123) rief Albrecht zum Kampf gemeinsam mit den (weißen) „Brüdervölkern“ Franzosen, Briten, Russen, Polen und Amerikanern auf. Gemeinsam würden sie die Stimme erheben, so Albrecht. Nur gemeinsam würden sie „den Kampf“ bestehen.

In der folgenden abgespielten Aufnahme (Nr. 125) äußerte sich Albrecht erneut völkisch und rassistisch über Migrant*innen. Es sei „keine Bereicherung, fremde Menschen in das eigene Land zu holen, die die Konkurrenz erhöhen“. „Fremde Menschen, die ihrem eigenen Land den Rücken kehren“ seien keine Bereicherung. Wenn die einzige Bereicherung Dönerbuden seien, könne man sich das alles auch sparen“. Dies ende alles in Monotonie, überall sei nur noch McDonalds zu finden, dies sei kein Vorteil, so Franco Albrecht in der Aufnahme.

In der Aufnahme darauf (Nr. 126) rief Albrecht: „Wir werden Ritterschulen errichten, in der ganzen Welt werden Ritter ausgebildet aufgrund ihrer mentalen Fähigkeiten“. Diese würden erzogen, eine „Elite zu sein, über die gar nicht gesprochen wird. Stillschweigend wird es Ritter geben, die die Gesellschaften auf der Welt vor wiederholter Unterwanderung schützen werden“.

In der neunten abgespielten Aufnahme des Tages (Nr. 127) redete Albrecht zu sich selbst, dass er aufzeigen müsse, wie „ernsthaft“ die Situation rund Zuwanderung und einen drohenden dritten Weltkrieg sei.

In der letzten Sprachmemo des Tages (Nr. 128) ruf Albrecht erneut zum Kampf auf: Nichts habe Sinn, wenn wir den Kampf nicht aufnähmen, so Albrecht und weiter: „Es liegt an uns, kein Anderer wird es machen! Wir müssen selbst handeln, dazu haben wir das gottgegebene Recht und auch nach den Grundgesetz das Recht hierzu“, so Franco Albrecht auf den Sprachmemos, die er aufnahm.

Das Gericht kündigte hiernach an, dass in der nächsten Sitzung jene Sprachmemos von Albrecht angehört werden, die in der letzten Sitzung aufgrund der Tonqualität nicht verständlich waren. Damit endete die Sitzung.

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