„Eine Bewilligung liegt außerhalb meiner Kompetenz“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 14. Verhandlungstag, 2. September 2021

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Der 14. Verhandlungstag endete bereits nach knapp eineinhalb Stunden. In diesen wurde eine Polizistin des BKA angehört, die zum Anklagepunkt des Betrugs durch Albrecht ermittelte, sowie eine Mitarbeiterin der Erstaufnahmestelle für Geflüchtete, wo sich Albrecht mit falschen Daten als Geflüchteter registrierte.

Als erste Zeugin des Tages wurde Birgit M., Kriminalhauptkommissarin beim BKA und Sachbearbeiterin im Bereich schwere und organisierte Kriminalität, vernommen. Sie war Anfang Februar, nachdem die österreichischen Behörden das BKA über Albrechts Festnahme am Wiener Flughafen informierten, mit Ermittlungen zur Person Franco Albrecht und seinem Alias David Benjamin befasst. Das Gericht interessierte sich insbesondere für ein Telefongespräch am 15.02.2017 zwischen Birgit M. und einer Mitarbeiterin des Jobcenters Aruso Erding, das für Bezüge von Sozialhilfe an Franco Albrecht unter seiner Tarnidentität verantwortlich war.

Erinnerungen an den Wortlaut und die Länge des Gesprächs habe sie nicht mehr sondern kenne den Vorgang nur noch aus der Akte. Beim Jobcenter habe sie angerufen, um Informationen zu „David Benjamin“ einzuholen. Albrecht war einen Tag zuvor für einen Termin im Jobcenter gewesen. Den Hintergrund ihrer Anfrage habe sie aus ermittlungstaktischen Gründen im Telefonat sicher nicht offen gelegt, so Birgit M.

Der Vorsitzende Richter Koller hielt ihr daraufhin einen Vermerk vor, den die Mitarbeiterin des Jobcenters nach dem Gespräch erstellt habe. Hierin heißt es: „Wir erhielten von ihr [Birgit M.] die Anweisung, den Fall ganz normal zu bewilligen“. Dieser Vermerk und die Aussage des Jobcentermitarbeiters am 8. Verhandlungstag sind der Grund, warum dem eigentlich am wenigsten schweren Anklagevorwurf des Betrugs im Strafprozess gegen Albrecht bisher soviel Raum gegeben wurde. Albrechts Verteidigung sieht hierin bewiesen, dass die Auszahlung von Sozialhilfe nach SGBII an Albrecht unter seiner falschen Zweitidentität als Geflüchteter nicht (nur) auf dessen Täuschung zurück geht, sondern auch auf eine Anweisung des BKA, den Bescheid zur Auszahlung der Sozialhilfe zu bewilligen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits wussten, dass es sich bei David Benjamin um keine reale Person handelte.

Birgit M. vom BKA widersprach der Darstellung in dem Vermerk. Den Bescheid zur Auszahlung zu bewilligen liege außerhalb ihrer Kompetenz und ihrer Zuständigkeit. Zudem sei er zu diesem Zeitpunkt bereits bewilligt gewesen. Was sie sich höchstens vorstellen konnte. war gesagt zu haben, dass das Jobcenter alles ganz normal weiterlaufen lassen sollte, damit die Ermittlungen nicht gefährdet würden.

Nach wenigen kurzen Nachfragen von Albrechts Verteidigung wurde Birgit M. entlassen.

Im Anschluss war erneut Franco Albrechts erste Masterarbeit Thema. Das Gericht fragte ihn, ob die Übersetzung aus dem Französischen seiner Arbeit entspreche. Albrecht antwortete, dass sie dies im Großen und Ganzen tue, die Kernthesen seien richtig wiedergegeben, vereinzelnd sei die Übersetzung sinnentstellend. Zum Inhalt wollte er sich nicht weiter äußern. Das Gericht ließ sich von Albrecht dessen Exemplar mit einigen Anmerkungen zu einzelnen seiner Ansicht nach nicht korrekt übersetzten kurzen Stellen geben und verteilte Kopien an die Prozessbeteiligten. Sollten Passagen relevant sinnentstellend sein, würde man die entsprechenden Passagen von einem Sachverständigen neu übersetzen lassen, so Koller.

Nach einer 30-minütigen Pause wurde die nächste Zeugin vernommen. Anna B. ist Verwaltungsangestellte beim Regierungspräsidium Gießen und war 2015 in der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung mit dem Erfassen von Daten von ankommenden Geflüchteten befasst. Zu dieser Zeit habe sie ca. 12 bis 14 Stunden pro Tag gearbeitet und hätte die Daten von ca. 200 Personen am Tag aufgenommen. Erinnerungen an Albrecht habe sie nicht sondern nur aus der Akte. Der Ablauf war, dass die Asylsuchende angeben mussten, welche Sprache sie sprechen, bevor sie zur Sachbearbeiterin geführt wurden und dort mit Hilfe eines Dolmetschers nach einigen Kerndaten wie Name, Geburtsdatum, Sprache, Herkunftsland und Religion befragt wurden, die in einen Computer eingeben wurden. Das Ganze dauerte maximal fünf Minuten, so die Zeugin. Auf die Fragen des Richters und von Albrechts Verteidigung gab Anna B. an, bei konkretem Verdacht auf eine Täuschung würden sie ihren Vorgesetzten kontaktieren, der sich dann weiter darum kümmerte. In diesem Fall habe sie wohl keinen konkreten Verdacht gehabt, da er gesagt habe, er sei Christ und es durchaus aramäische Christen aus Syrien gebe.

Danach wurde Anna B. entlassen und der sehr kurze Verhandlungstag endete damit.

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