10. Prozesstag, 10.08.2020

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Der 10. Verhandlungstag am OLG Frankfurt gegen Stephan Ernst und Markus Hartmann war geprägt vom Versuch der Richter*innen und der Bundesanwaltschaft, Unklarheiten und Widersprüche in den bisherigen Einlassungen von Stephan Ernst durch dessen weitere Befragung aufzuklären. Es waren viele Detailfragen, die den Verhandlungstag bestimmten. Zusätzlich stellte der psychologische Gutachter Prof. Leygraf sein Kurzgutachten zur Aussagetüchtigkeit und möglichen psychischen Erkrankungen von Ernst vor.

Zuerst drehte sich die Befragung von Ernst um die Bürgerversammlung in Lohfelden im Oktober 2015. Bei der Veranstaltung informierte der Regierungspräsident Lübcke Bürger*innen über eine demnächst öffnende Unterkunft für Asylsuchende in der Gemeinde. Im Publikum waren damals auch Stephan Ernst und Markus Hartmann, letzterer filmte den Aufritt Lübckes und stellte das Video davon ins Internet. In der Hauptverhandlung wurde das Video gezeigt und Ernst zu den Hintergründen des Videos und Reaktionen darauf befragt. Weiter wurde Ernst wiederholt zur Tatvorbereitung, dem Tatentschluss, dem Auskundschaften von Walter Lübcke und dessen Anwesen befragt, ebenso zur möglichen Rolle von Alexander Sch. im Zusammenhang mit der Tat und dem Kontakt von Ernst zu diesem. Danach wurde Ernst zu seinen beiden widerrufenen Geständnissen und der Rolle seiner jeweiligen Anwälte, Dirk Waldschmidt und Frank Hannig, bei diesen Geständnissen befragt.

Der Szene-Anwalt Waldschmidt, so Ernst, habe sich bei ihm gemeldet, und ihn nach Kontakten zum militanten Neonazinetzwerk Combat 18 (C18), dem bekannten nordhessischen C18- Aktivisten Stanley Röske sowie einer Teilnahme an einem C18-Schießtraining in Tschechien befragt, was Ernst verneinte. Waldschmidt empfahl ihm daraufhin, so Ernst, die Tat alleine auf sich zu nehmen. Sein zweiter Anwalt Hannig, habe ihn dann dazu gebracht, sein erstes Geständnis zu widerrufen und in einem zweiten Geständnis die Hauptlast der Tat seinem Mitangeklagten Hartmann in die Schuhe zu schieben, um den die Aussage verweigernden Hartmann zu einer Aussage zu bewegen, die neue Anknüpfungspunkte für die Verteidigung von Ernst bringen könnte. Als nächstes drehte sich die Befragung von Ernst um die politische Einstellung von Hartmann. Dabei erklärte Ernst, dieser sei „Reichsbürger“ und das 25-Punkte-Programm der NSDAP sei „wie ein Leitfaden“ für diesen gewesen. Dabei wurde Ernst auch zu bei Hartmann gefundenen NS-Devotionalien aller Art befragt, wozu Fotovorhalte im Prozess gemacht wurden. Auch die politischen Aktivitäten von Ernst waren an dem Tag Thema. So berichtete Ernst von besuchten AfD-Stammtischen in Kassel, der Teilnahme an AfD-Demos in Chemnitz und Erfurt und Videos, u.a. der „Identitären Bewegung“, die er geschaut habe. Dabei seien der „Trauermarsch“ in Chemnitz und die Ereignisse in der Stadt der Auslöser für Ernst und Hartmann gewesen, Walter Lübcke nicht nur zu attackieren und einzuschüchtern, sondern töten zu wollen.

Ein weiterer Sachverhalt, der an dem Verhandlungstag behandelt wurde, war das Thema Waffen. Die Befragung drehte sich dabei vor allem um An- und Verkäufe von Waffen an Arbeitskollegen durch Ernst aber auch um das von Ernst verratene Waffenversteck, wozu Fotovorhalte vor Gericht gemacht wurden, zu denen sich Ernst äußerte. Als einzige weitere Person neben Ernst wurde auf Antrag der Verteidigung Hartmann der psychologische Sachverständige Prof. Leygraf vor Gericht zu der Aussagetüchtigkeit von Ernst und möglichen psychischen Erkrankungen bei diesem befragt, wobei Leygraf sein Kurzgutachten über Ernst präsentierte und zu dem Zwischenergebnis kam, dass keine Beeinträchtigung oder Erkrankung bei Ernst diagnostizierbar gewesen sei. In Bezug auf den ebenfalls angeklagten Tatvorwurf Ernst auch für den Messerangriff Anfang Januar 2016 auf Ahmed I. in Lohfelden, stellte die Verteidigung von Ernst klar, dass sich dieser erst nach der Beweisaufnahme zu der Tat und den Vorwürfen äußern wolle.

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