Bericht zur 27. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (12. September 2016)

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In der 27. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses wurde zuerst die Befragung der Ehefrau Andreas Temmes Eva S. nachgeholt, die am 6. Juni nach der achtstündigen Anhörung Temmes abgesagt worden war. Anschließend wurden zum zweiten Mal der ehemalige Geheimschutzbeauftragte des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Hessen Gerald Hasso Hess sowie die ehemalige Kollegin Adreas Temmes Jutta E. vernommen.

Eva S. verzichtete auf eine eigene Stellungnahme und wurde vor allem dazu befragt, was sie von ihrem Mann über den Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel erfahren habe, und wie sie damals die Mordermittlungen gegen ihren Mann erlebt hat.
Von Andreas Temme habe sie erstmals am 09. April 2006 von dem Mord an Halit Yozgat erfahren, berichtete Eva S. Sie habe ihrem Mann auf einer Autofahrt aus dem lokalen Anzeigenblatt „Extratipp“ vorgelesen, dass im Internetcafé in der Holländischen Straße der 21 Jährige Inhaber erschossen worden war. Daraufhin habe Temme ihr gegenüber zunächst nur eingestanden, dass er das Café aus dienstlichen Zusammenhängen kenne. Temme aber beharrt der Öffentlichkeit und den Ermittlungsbehörden gegenüber darauf, sich nur privat dort aufgehalten zu haben. Eva S. erklärte dazu, er habe wohl ihr gegenüber verheimlichen wollen, dass er dort in einem Flirtportal gechattet hatte, was sie erst später erfuhr. Was den Mord selbst betrifft, bestreitet Temme laut seiner Frau auch ihr gegenüber dort etwas bemerkt zu haben. Von dem Vorwurf, Temme sei zum Tatzeitpunkt am Tatort gewesen, habe sie erst erfahren, nachdem die gemeinsame Wohnung in Hofgeismar am 22. April 2006 durchsucht worden war und Temme als Mordverdächtiger für eine Nacht in Polizeigewahrsam verbracht hatte.
Die polizeilichen Ermittlungen habe sie als „schnodderig“ empfunden. Bei der Hausdurchsuchung sei beispielsweise der gesamte Dachboden gar nicht untersucht worden, außerdem habe sie sofort gewusst, dass ihr Telefon nun abgehört werde. Woher genau konnte sie nicht mehr sagen, aber vermutete, dass sie den Hinweis von der Polizei erhalten habe und ging davon aus, dass auch ihr Mann darüber Bescheid wusste. Zweifel daran, wie wenig Eva S. über das berufliche Leben ihres Mannes wusste, wies Eva S. mehrfach mit Verweis auf ihre damaligen Lebensumstände zurück. Sie hätten sich erst 2004 kennengelernt und nicht über die Arbeit gesprochen, die habe sie auch nicht interessiert. Sie hätten vor allem über Hochzeit, Umzug, Schwangerschaft und dergleichen geredet. Auch Freunde und Kollegen Temmes will sie nicht gekannt haben. Ihre Andeutung aus einem abgehörten Telefonat mit ihrer Schwester, Temme habe sich durch die Plastiktüte, die er dabei hatte verdächtig gemacht, erklärte Eva S, wie schon in München als sarkastischen Scherz. Immer wieder habe sie vergeblich insistiert, Temme solle einen Korb oder Stoffbeutel mit zu Einkaufen nehmen, und jetzt gäbe ihr gleich ein Mordverdacht recht.

Der mittlerweile einundsiebzigjährige damalige Sicherheitsbeauftragte des LfV Hessen Gerald Hasso Hess war 2006 vor Allem mit der Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter des Landesamtes befasst. Bemerkenswert an seinen Aussagen war, dass er im Juli 2006 in Erwägung gezogen hatte, Temme seine Sicherheitsermächtigung zurückzugeben, obwohl zu der Zeit das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Nach seiner Einschätzung sei die Verdachtslage bei der Polizei recht dünn gewesen. Der ehemalige Präsident des LfV Hessen Lutz Irrgang habe schließlich entschieden, Temme nicht wieder in den Dienst zurückkehren zu lassen. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass Temme offenbar nach seiner Einstellung 1994 keiner weiteren Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden war. Das geschehe in der Regel alle zehn Jahre, bei Temme habe man aber keinen Anlass gesehen. Von rechtem Schriftgut, das im Rahmen der späteren Hausdurchsuchung bei Temme gefunden wurde, habe man zur Zeit seiner Einstellung allerdings nichts gewusst, so Hess. Weitere Angaben zu Temmes Einstellung wollte Hess nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen.
Hess musste noch einmal zu Aussagen aus einem Telefonat mit Temme Stellung nehmen, das schon in seiner ersten Anhörung im Mai 2015 Thema war. Darin hatte er Temme aufgefordert gegenüber der Polizei „so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Eine schlüssige Erklärung dafür lieferte er auch diesmal nicht. Ebenfalls beharrte er darauf, dass der Satz „wenn ich weiß, dass irgendwo sowas passiert, bitte nicht vorbei fahren“ Ironie gewesen sei.
Anhand einer „Chronologie der Causa Temme“, die wohl im Landesamt für Verfassungsschutz angefertigt wurde, versuchte der Ausschuss die zeitlichen Abläufe innerhalb des Landesamtes vom Tatverdacht gegen Temme bis zu seiner Versetzung ins Regierungspräsidium Kassel nachzuvollziehen. Hess erinnerte sich dabei weder, wer die Aufstellung verfasst hat, noch an ein Treffen im LfV, bei dem offenbar über Temmes Zukunft beraten wurde.

Zuletzt wurde Temmes ehemalige Kollegin Jutta E. im Ausschuss vernommen. E. war wie Temme Führerin von „Vertrauenspersonen“ (VP), zuerst in den Bereichen des „Rechts und Linksextremismus“, später auch für V-Leute aus der „islamistischen“ Szene. Privaten Kontakt zu Temme habe sie nicht gehabt, beruflich habe sie ihn als sehr engagiert und ehrgeizig in Erinnerung. Er wollte mit seiner Karriere „weiter kommen“ so E. und habe die Nachfolge von Herrn Fehling als Leiter der Kasseler Außenstelle des hessischen LfV angestrebt. Sie habe auch mal von dem Gerücht gehört, dass er die Berichte von den Treffen mit seinen VP mittels Internetrecherche aufbausche und Teile diesen Eindruck, jedoch habe sie dafür keine Beweise. Vor dem Mord in Kassel sei ihr die „Ceska-Mordserie“ kein Begriff gewesen, die Mail ihrer Vorgesetzten Iris Pilling, in der sie weniger als zwei Wochen vor dem Mord in Kassel die LfV Mitarbeiter*innen darum bat, sich bei ihren V-Personen nach dieser Mordserie zu erkundigen, habe sie aber wahrscheinlich zu Kenntnis genommen. Solche Emails kämen öfters, sagte Jutta E.
Als die Ermittlungen gegen Andreas Temme öffentlich wurden seien sie im LfV schockiert gewesen und der Meinung gewesen, bei seiner Größe hätte er etwas sehen müssen. Dass Temme das Internet-Cafe aus dienstlichen Gründen besuchte schloss sie aus, mit V-Leuten habe er sich dort bestimmt nicht getroffen, so Jutta E. Nach der Suspendierung Temmes übernahm E. Zwei V-Leute von Temme, konnte aber niicht mehr mit Sicherheit sagen welche.

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