Am 6. Juni 2016 wurde im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss zum zweiten Mal der ehem. Verfassungsschutzbeamte Andreas Temme als Zeuge vernommen. Außerdem war seine Ehefrau Eva Schmitz-Temme geladen, deren Anhörung jedoch aufgrund der langen Vernehmung A. Temmes am Abend vertagt wurde.
Temme verzichtete auf eine einleitende Stellungnahme und blieb während seiner achtstündigen Befragung im wesentlichen bei den Erklärungen für seine Anwesenheit im Internetcafé Halit Yozgats, die er bereits im Münchener Prozess, im Untersuchungsausschuss des Bundestages, sowie im vergangenen Jahr im hessischen PUA abgegeben hatte. Nach seiner Aussage habe er sich zufällig am Tattag dort aufgehalten, um privat in einem Flirtportal zu chatten und habe weder die Schüsse gehört, noch den Toten hinter dem Tresen gesehen, als er das Café verließ. Das Video der Tatortbegehung mit Temme, das im Zuge des polizeilichen Ermittlungsverfahrens 2006 entstanden war, wurde in der Sitzung abgespielt. In diesem ist zu sehen, wie Temme ein Geldstück auf den Tresen legt und dabei seinen Blick von diesem unnatürlich abwendet. Als Erklärung gibt er die Umstände einer gestellten Tatortrekonstruktion an, weswegen es aus psychologischer Sicht erklärbar sei, den Blick abzuwenden, so Temme.
Die intensive, aber oft sprunghafte Befragung zu Temmes Abschriften aus „Mein Kampf“, die er als Jugendlicher angefertigt hatte, zu seinem vermeintlichen Spitznamen „Klein Adolf“ aus dieser Zeit, zu seiner ausgeprägten Waffenaffinität, zur E-Mail seiner damaligen Vorgesetzten Iris Pilling, in der er gebeten wurde sich bezüglich der Mordserie bei seinen V-Leuten umzuhören und zu seinem Verhältnis zu seinem rechten V-Mann Benjamin Gärtner, mit dem er am Tag des Mordes ungewöhnlich lange telefoniert hatte, brachte kaum neuen Erkenntnisse. Temme antwortete auf die Frage, warum dieses Telefonat so ungewöhnlich lang für eine Terminvereinbarung sei, damit, dass man mit Quellen auch über menschliches reden müsse. Konkret erinnern konnte er sich an das Telefonat jedoch nicht, sondern bezog sich auf Einträge in seinem Kalender. Auch nachdem Gärtner im hessischen PUA abgestritten hatte, dass er auf die „Deutsche Partei“ angesetzt gewesen sei, blieb Temme bei seiner Aussage, Gärtners Aufgabe sei gewesen, ihn mit Informationen über die rechte Kleinstpartei zu versorgen und behauptete, das habe dieser im Strafprozess in München auch ausgesagt. Gärtner hatte jedoch weder in der dortigen Vernehmung die „Deutsche Partei“ erwähnt, noch wollte er in seiner Befragung im hessischen PUA jemals von ihr gehört haben. Auch die Partei selbst macht uneindeutige Aussagen, ob Gärtner jemals Mitglied war.
Der Ausschuss konfrontierte Temme mit zahlreichen detaillierten Vorhalten, für die er keine erhellenden Erklärungen abgab. Frömmrich (Grüne) befragte Temme eingehend zur Auswertung der Logindaten des Flirtportals Ilove.de. Eine oberflächliche Suche habe ergeben, dass die Seite vom Intenetcafé aus insgesamt an acht Tagen aufgerufen worden sei, eingeloggt gewesen sei Temme mit seinem Account davon jedoch nur am 3., 5., und 6. April 2006, dem Tag des Mordes an Halit Yozgat um 12:36-12:43, sowie um 16:51. Die anschließende Frage, ob Temme am 6. April schon Mittags im Café gewesen sei, verneinte er mit dem Hinweis auf ein Treffen, über das er keine weiteren Auskünfte gab.
Ebenfalls nebulös blieb die Teilnahme Temmes an einem Schießtraining mit mit seinem Schützenverein. Er bestätigte, einmal an einem so genannten Combat-Schießen in Tschechien teilgenommen zu haben, was in Deutschland verboten ist, er habe jedoch keine eigene Waffe dorthin mitgenommen. Janine Wissler (Linke) befragte Temme nachdrücklich zu diesem Komplex, weil er dort nachweislich mit einem Göttinger Waffenexperten in Kontakt war, der im Rahmen der NSU-Ermittlungen Expertenwissen zu Schallschutz bei Kopfschüssen offenbart hatte.
Einige neue Details kamen im Bezug auf Temmes Kontakte zu den Hells Angels ans Licht. Nachdem ihm ein Eintrag aus seinem Tagebuch aus dem Jahr 2000 vorgehalten wurde, wonach es in der Disko Treibhaus in Zierenberg zu einer Auseinandersetzung mit der Wirtin kam, weil er ein Hells Angels Shirt trug, erklärte er Anfang der 90er Jahre einmal bei einem Konzert in Berlin, später einige Male im Kasseler Klubhaus gewesen zu sein. Temmes Kalendereinträge lassen auf ein recht enges Verhältnis zu Jürgen S. schließen, der enge Kontakte zu den Hells Angels hatte und mit dem Temme sich regelmäßig zum Trinken und Motorradfahren verabredete.
Für Irritationen sorgten außerdem weitere Tagebucheinträge, aus denen deutlich wurde, dass Temme 2000 offenbar an einer Grillfeier eines „Arbeitskreis CDU im Landesamt“ teilgenommen hatte, die bei der Wasserschutzpolizei in Wiesbaden stattfand. Der damalige Leiter der Kasseler Außenstelle des VS, Frank-Ulrich Fehling, hatte ihn dazu eingeladen. An weitere Teilnehmer der Feier habe er keine Erinnerung, so Temme, und zum Charakter des Arbeitskreises könne er keine konkreteren Angaben machen. Es habe sich um eine Art Betriebsausflug gehandelt, bei dem keine dienstlichen Dinge besprochen worden sein.