Die erste geladene Zeugin Catrin R. war von 2003 bis 2005 Referatsgruppenleiterin Rechtsextremismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und wechselte im Mai 2007 zum hessischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfVH) als Abteilungsleiterin für Beschaffung.
Zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat im April 2006 war sie beim BfV für den Aufbau einer Referatsgruppe Islamismus zur nachrichtendienstlichen Terrorismusabwehr zuständig und stand in dieser Funktion im Austausch mit dem LfVH. Der zweite Zeuge Klaus S., Polizist beim Polizeipräsidium Nordhessen, sollte zu Fragen der Spurensicherung im Internetcafé Halit Yozgats Auskunft geben.
Zu ihren Kenntnissen über die Rechtsextreme Szene in Nordhessen befragt, erklärte R., sie habe darüber nur allgemeine Kenntnisse, da sie für den Bereich Rechtsextremismus nicht zuständig gewesen sei, die Szene sei aber zu der Zeit insgesamt von den Sicherheitsbehörden als gewaltbereit, und besonders die Musikszene als sehr aktiv eingeschätzt worden. Als Beispiele nannte sie die Treffen auf dem „Reichshof“ Manfred Roeders und das Blood&Honour Netzwerk, das auch bundesweit von Interesse gewesen sei. Konkret benannte sie dazu die Neonazi-Band „Hauptkampflinie“, die überregional relevant gewesen sei. Nach ihrem Wechsel nach Hessen befasste sich R. nach ihren Angaben schwerpunktmäßig mit der dortigen NPD und ihrer Führungsperson Marcel Wöll, der versucht habe, die Naziszene stärker an die Parteien anzubinden. Schon als Referatsgruppenleiterin Rechtsextremismus im BfV von 2003 bis 2005 habe ihr Zuständigkeitsbereich vorwiegend im Bereich rechtsextremer Parteien, ihrem intellektuellen Umfeld und dem internationalen Rechtsextremismus gelegen, sagte R.
Insgesamt sei damals eine starke Waffenaffinität und eine hohe Gewaltbereitschaft in der rechten Szene durchaus zur Kenntnis genommen, die Akzeptanz für eine tatsächliche Umsetzung rechter Terrorkonzepte jedoch unterschätzt worden. Der weit verbreitete Waffenbesitz und die hohe Zahl von Gewalttaten seien zu stark getrennt voneinander begutachtet worden. Für den Terrorismus als Mittel zur Umsetzung politischer Ziele habe kein breit akzeptiertes ideologisches Konzept bestanden, obwohl internationale rechte Terrorkonzepte auch in Deutschland verbreitet waren. Dass einzelne Personen sich dennoch zu terroristischen Aktivitäten entscheiden könnten, sei damals ausgeblendet worden. Mehrfach betonte sie, die Behörde habe kein Potential für ein funktionierendes Unterstützerumfeld gesehen, auf das eine klandestin agierende Terrorzelle angewiesen sei. So sei die Möglichkeit einer rechten Terrorzelle zwar theoretisch angedacht, aber letztlich ausgeschlossen worden. Hier seien alle Beteiligten ganz offensichtlich einem Fehlschluss erlegen.
Im Fragenkomplex um die Mordermittlungen gegen Andreas Temme räumte R. ein, man hätte damals die Angebote der Staatsanwaltschaft besser prüfen sollen, die Quellen unter polizeilichen Schutz zu stellen, wenn ihnen eine Aussagegenehmigung erteilt würde. Die Quellen seien durch die Ermittlungen gegen Temme ohnehin enttarnt worden und der Schaden damit schon eingetreten. Die Frage nach Temmes Alibi hätte so zeitnah und eindeutig geklärt werden können und der Spielraum für verschiedene Spekulationen wäre eingeschränkt worden. Die Wertigkeit der Quellen sei zwar auch für das BfV und auch noch Jahre nach dem Kasseler Mord groß gewesen, dennoch hätte ein Weg gefunden werden können sie zu vernehmen. R. bezweifelte jedoch auch, dass die Vernehmung der Quellen etwas zur Klärung des Sachverhaltes beigetragen hätten. Die Entscheidung über die Sperrerklärungen hätte, so die Schlussfolgerung, auch anders getroffen werden können, sei aber vollkommen gerechtfertigt und nachvollziehbar.
Die Strukturen des LfVH beschrieb R. im Kontrast zum BfV als „verkrustet“. Ihr Eindruck nach dem Wechsel nach Hessen sei gewesen, dass die Arbeit der Führungsriege in eingefahrenen Bahnen verlaufe. Es habe 2007 erheblichen Reform- und Modernisierungsbedarf im Landesamt gegeben. In ihrer Beschreibung zeichnete sie das Bild einer in ihren Methoden, ihrem Informationsverhalten sowie ihrer Ausstattung rückständigen Behörde. Auch die Dienstvorschriften seien nach 2007 reformiert worden, die zuvor lediglich durch „rudimentäres Praktizieren“ zu großen Teilen in Vergessenheit geraten seien.
Klaus S. sollte eine Erklärung dafür geben, weshalb auf Fotos der kriminaltechnischen Untersuchung, die drei Tage nach dem Mord aufgenommen wurden, ein deutlich veränderter Tatort zu sehen ist. Das sei im Rahmen der Sicherstellung und Erfassung der am Tatort vorgefundenen Gegenstände ein übliches Vorgehen, so S., an den genauen Ablauf der Spurensicherung konnte er sich jedoch im Einzelnen nicht erinnern. Unklar blieben daher die aufgeworfenen Fragen, weshalb die Geldmünzen auf dem Tresen im Café auf dem zweiten Foto nicht mehr zu sehen waren, jedoch nicht in der Liste der sichergestellten Gegenstände zu finden waren, und weshalb zwar die Geldbörse, aber nicht das Handy Halit Yozgats sichergestellt wurde, obwohl er beides am Körper getragen hatte.