Pressemitteilung von NSU-Watch Hessen zum Ende der Expert_innenbefragung

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Am Freitag den 20.03 sind die Anhörungen von Expertinnen und Experten im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss vorerst zu Ende gegangen. In den nächsten Sitzungen am 20. und 27.04. wird die Befragung von Expertinnen und Experten erst einmal weitergehen. Wann der Untersuchungsausschuss die ersten Zeug_innen einladen wird, ist noch unklar. Die Initiative NSU-Watch, die jede Ausschuss-Sitzung begleitet und dokumentiert hat, zieht ein erstes Resümee.

Die Expert_innen sollten über den Begriff und die Grundlagen des Rechtsextremismus, die rechten Strukturen in Hessen und die Arbeit der Sicherheitsbehörden referieren. „Der Ausschuss hat leider die Chance vertan, sich intensiv mit den gesellschaftlichen Ursachen von Rassismus und Menschenfeindlichkeit auseinanderzusetzen,“ meint Sarah Müller von NSU-Watch.Lediglich ein Experte ist auf die soziale Situation nach der Wendezeit eingegangen. Sonst haben viele Expert_innen ausschließlich über die Ausprägungen rechten Gedankenguts berichtet. Die durchaus komplexen sozialen, psychologischen und familiären Gründe für Menschenfeindlichkeit wurden nicht thematisiert, genauso wenig wie das gesellschaftliche Klima in dem diese Einstellungen gedeihen können. Deshalb werden vermutlich auch keine entsprechenden Konsequenzen für den Kampf gegen die rechte Szene und den Alltagsrassismus ergriffen werden.“

Die Initiative NSU-Watch zeigte sich insbesondere enttäuscht von der Einladung der Expert_innen durch die schwarz-grüne Landesregierung. „Diese Expert_innen haben die Aufklärungsarbeit in Hessen nicht weiter gebracht. Sie konnten über Strukturen der rechten Szene in Hessen praktisch keine Auskunft geben, teilweise waren ihre Aussagen schlicht falsch, sofern sie die rechten Strukturen in Hessen kleingeredet haben,“ meint Helge Assmann von NSU-Watch. „Es ist insbesondere unverständlich, dass die Grünen sich an der Einladung von zweifelhaften Extremismusexperten beteiligt haben. Denn die Grünen haben im Bund eine seit mehreren Jahren arbeitende Rechtsextremismuskommission, über die Kontakte zu namhaften Expert_innen besteht. Dass diese nicht von den Landesgrünen eingeladen wurden, konterkariert ihren Anspruch auf eine umfängliche Aufklärung.“

Die Anhörung von Journalist_innen bewertet NSU-Watch als gelungen. Die Journalist_innen konnten genaue Angaben über die rechte Struktur in Hessen, Personen und deren internationale Vernetzung liefern.„Es hat sich gezeigt, dass die intensive Recherchearbeit von Journalist_innen mehr Informationen hervorbringt, als die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die im Ausschuss bislang nicht durch Sachkenntnis glänzten“, so Sarah Müller.

Für die Initiative NSU-Watch stellen sich angesichts der Expert_innenbefragungen zahlreiche offene Fragen. „Nach der Veröffentlichung des Welt-Artikels hat die Arbeit des Ausschusses an Dynamik gewonnen. Aber es ist nicht im Sinne einer radikalen Aufklärung, sich lediglich auf Ministerpräsident Volker Bouffier einzuschießen. Dies bewerten wir als das übliche parteipolitische Geplänkel. Es gilt jetzt ohne Rücksicht auf Personalien, Behördeninteressen und Parteikoalitionen die vielen Fragen durch intensive Zeugenbefragungen zu klären. Die Rolle des V-Manns Benjamin Gärtner im NSU-Komplexmuss durchleuchtet werden, Andreas Temme muss sein Schweigen brechen und die Verflechtungen der hessischen Nazi-Szene mit anderen Gruppierungen aus Deutschland und dem Ausland müssen geklärt werden,“ so Helge Assmann.

Für das restliche Jahr wurden vom Ausschuss in der Pressemitteilung vom 19.04.2015 lediglich 10 weitere Termine bekannt gegeben. „Wenn nur 10 Termine für die Zeit bis zum Dezember bekannt gegeben werden spricht das nicht unbedingt für einen besonderen Eifer in der Aufklärung. Wer sich mit Beginn der öffentlichen Sitzungen noch gedacht hatte, dass es jetzt endlich los geht, wurde spätestens dadurch bitter enttäuscht. Die Verzögerungen und das Hinhalten gehen weiter und ziehen sich mittlerweile wie ein roter Faden durch die gesamte Ausschussarbeit. Man bekommt den Eindruck, dass einigen Abgeordneten der Mord an Halit Yozgat und der sich darum aufspannende NSU-Komplex schlichtweg egal ist.“ meint Sarah Müller von NSU-Watch dazu.

NSU-Watch wird weiterhin an den Ausschuss-Sitzungen teilnehmen und für die Öffentlichkeit live aus den Sitzungen twittern und Berichte auf Deutsch und Türkisch veröffentlichen. Desweiteren recherchiert NSU-Watch eigenständig über die offenen Fragen, die die Befragungen bislang hervorgebracht haben.

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