„Ich war ziemlich überrascht, dass ich seine Hitler-Zitate in der Zeitung gelesen habe.“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 33. Sitzung, 02.05.22

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Im Prozess gegen Franco Albrecht war zur 33. Sitzung die Verlobte des Angeklagten, Sophia Ti., geladen. Sie wollte zunächst von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Richter Koller kündigte daraufhin an, die Mutter von Franco Albrecht (polizeilich) zu einer Aussage am gleichen Nachmittag holen zu lassen, da Albrecht sie in einem Beweisantrag zitiert. Sophia Ti. änderte sodann ihre Meinung und sagte doch als Zeugin aus.

Der Vorsitzende Richter Koller sagte nach der Eröffnung der Sitzung, dass Albrechts Haftprüfungsantrag abgelehnt werde. Sie seien zum derzeitigen Zeitpunkt des Verfahrens davon überzeugt, dass Albrecht Anschläge geplant habe, in der Hauptverhandlung habe sich dazu seit Beginn der erneuten Untersuchungshaft in der Hauptverhandlung nichts anderes ergeben. Koller wandte sich weiter an den Angeklagten und sagte, dieser habe am letzten Verhandlungstag einen Antrag gestellt, in dem auch Aussagen seiner Mutter drin seien: „Wenn sie das beibehalten wollen, würden wir in nächster Sitzung ihre Mutter laden. Ich würde sagen, wenn sie ihrer Mutter das ersparen wollen, nehmen sie den Antrag zurück.“

Die Zeugin Sophia Ti. betritt den Verhandlungssaal. Sophia Ti. ist 28 Jahre alt, Psychologie-Studentin und Schwester von Maximilian Ti., der zu Beginn der Ermittlungen als Mitbeschuldigter von Abrecht geführt wurde. Sie bestätigte im Zeug*innenstand, von ihrem Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf Maximilian Ti. und Franco Albrecht Gebrauch machen zu wollen: „Ich würde sehr gerne Rede und Antwort stehen“, der Grund, dies nicht zu tun, sei die Öffentlichkeit. „Sie sind ein Gericht, aber hinter mir sitzt auch eins“, es gehe auch um ihre mentale Gesundheit.

Nach einer kurzen Pause kündigte Koller an, die Mutter von Albrecht wegen des von Albrecht gestellten Antrags für den gleichen Tag zu laden und sie unter Umständen von der Polizei abholen zu lassen, vorher wolle man die Devotionalien in Augenschein nehmen, die Albrecht bei seiner Reise nach Frankreich im Frühjahr 2022 abgeholt hatte. Im Beweisantrag hatte Albrecht angegeben, seine Mutter könne dazu aussagen, dass diese Gegenstände seinem Großvater gehört hätten.

Nun wurden diese Gegenstände vom Gericht in Augenschein genommen: ein Bild von Joseph Goebbels, ein Buch „Speech and Songs of Nazi Germany“, ein Buch von Adolf Hitler, „Das 3. Reich“, eine Ausgabe der Nazi-Zeitung „Der völkische Beobachter“, eine Gürtelschnalle mit Hakenkreuz, weitere Bücher mit Bezug zum Nationalsozialismus. Albrecht unterbrach und sagte, die kleinen Hefte seinen Zigarettenheftchen. Koller fragte zurück, was bei dieser Anmerkung die Erkenntnis sei und sagte selbst, dass diese Gegenstände in der Zigarrenschachtel und die bei der Durchsuchung 2017 bei Albrechts Mutter gefundenen Gegenstände „sehr stark korrespondieren“. Albrecht bejahte die Frage, ob diese Gegenstände von seinem Opa stammten. Koller fragte weiter, warum seine Mutter diese aufbewahrt hätte. Albrecht: „Mein Opa hat sich aus solchen Sachen immer rausgehalten.“ Er habe kein Problem damit gehabt, dass sein Vater Süditaliener ist. Außerdem werden zwei Bücher zu Adolf Hitler in Augenschein genommen.

Nach einer Pause bis 14:30 Uhr hieß es, dass Sophia Ti doch aussagebereit sei. Sie sagte dann aus, sie habe seit 2013 in Berlin studiert und kenne Albrecht seit August 2015. Sie hätten sich auf einer Geburtstagsfeier kennengelernt, es habe eine kurze Kommunikation gegeben, wo sie politisch verortet seien: „Für mich war klar, dass ich im linken Spektrum bin und er im rechten“. Ti. sagte, sie sei noch immer Mitglied in der Linkspartei, das sei intern geklärt worden, sie dürfe nur nicht aktiv sein. Koller hakte nach, was für sie rechts heiße. Ti. antwortete, CDU, AfD und FDP, beim ersten Kennenlernen habe sie Albrecht aber nicht eingeordnet.

Ti. sagte auf Nachfrage weiter, Albrechts Einstellungen seien von Anfang an Thema gewesen und für sie gewöhnungsbedürftig. Seiner Beschäftigung mit Eckhard Tolle und dem ‚spirituellen Erwachen‘ habe sie aufgrund ihrer eigenen Beschäftigung mit Marx skeptisch gegenüber gestanden, „aber ich habe mir das angehört“. Sie glaube, Albrecht komme deswegen auch gut durch das Verfahren, weil er das Urvertrauen habe, am Ende werde alles gut. Ti. führte weiter aus, Albrecht habe ihr relativ früh von seiner Vorbereitung auf einen Katastrophenfall erzählt, „das war für mich auch in Ordnung“. „Von Vorbereitungen im illegalem Bereich wusste ich nichts.“ Sein Motiv sei eher eine Angst vor einem Krieg mit Russland gewesen.

Sie habe gewusst, dass Albrecht in einer Chatgruppe gewesen sei, er habe gemeint, dort seien nur mehrere Leute aus dem Sicherheitsbereich gewesen, die sich für den Krisenfall vernetzten, falls Bundeswehr und Sicherheitsorgane scheitern, weil die Bundeswehr nicht so gewappnet sei. Zeitlich sei das etwa im Sommer 2016 gewesen. Sie und Albrecht hätten über Subversion gesprochen, „aber nicht in dem Maße“. Zum Stichwort „Migration als Waffen“, sagte Ti.: „Das war für mich nicht unmöglich, dass als Kriegsführung einzusetzen.“ Albrecht habe von seiner Angst vor Destabilisierung gesprochen. Koller fragte nach, ob Albrecht darüber gesprochen habe, wer für ihn dahinter stecke. Dies bejahte Ti. und gibt die US-amerikanische Außenpolitik an. „Im Nachhinein weiß ich, dass es auch um andere Sachen ging“, sagte Ti. und erzählte, dass ihr Albrecht auch Schriften von jüdischen Schriftstellern gezeigt habe. Koller: „ Aber Juden waren schon ein Thema?“ Ti. sagte, das sei bei dem Thema „wie hängen welche Sachen zusammen, wer hat Interessen“ so gewesen. „Man kann Antisemitismus weit fassen und sagen Kritik an Israel ist antisemitisch.“ Albrecht habe aber auf „individueller Ebene“ nie abfällig über Juden gesprochen, habe keine Bezüge zum Nationalsozialismus. „Ich war ziemlich überrascht, dass ich seine Hitler-Zitate in der Zeitung gelesen habe.“ Die Zeit des Nationalsozialismus sei bei ihnen nie Thema gewesen, „ich hatte den Eindruck, er kennt sich damit nicht sonderlich aus, er habe ihr gegenüber nie den Holocaust geleugnet.

Koller fragte nach der Zeit, in der Franco Albrecht als syrischer Geflüchteter lebte und ob dies ihr aufgefallen sei. Das verneinte Ti., „das war auch nicht so kompliziert“, Albrecht habe 2016 wenig über Telefone kommuniziert, er sei bedacht auf seine Daten gewesen, „ich habe das aber einfach hingenommen“. Von seiner Festnahme habe sie aus den Medien erfahren. Koller fragte, ob sie auch in Wien gewesen sei. Ti. antwortete, sie sei früher hingereist, weil ihre beste Freundin damals zum Austausch in Wien gewesen sei, dort habe sie die ersten Tage übernachtet. Am Tag des Balls der Offiziere sei sie im Hotel gewesen, „letztendlich war der Abend so lala“. Ihr Bruder sei dabei gewesen und Maurice und zwei andere hätten sie dort kennengelernt, eine Frau und einen Mann. Sie sei nicht am gleichen Tag wie Albrecht abgereist, sie habe Albrecht und ihren Bruder zum Hauptbahnhof gefahren, die seien von dort zum Flughafen gefahren, sie sei bei ihrer Freundin geblieben. Sie seien davor die ganze Zeit zusammen gewesen. Auf Nachfragen sagte die Zeugin, von einem Pistolenfund habe sie nichts mitbekommen. Albrecht habe ihr nach der Festnahme in Wien und vor der Festnahme im April die gleiche Geschichte wie vor Gericht erzählt: „Ich halte es nicht für unmöglich, aber habe Zweifel daran.“ Auch von der Situation am Flughafen habe sie erfahren, als der Fall „hochkochte“. Zu seiner Doppelidentität habe er ihr ebenfalls das gleiche wie vor Gericht erzählt, er habe sehen wollen, ob die Gerüchte stimmten über die Zustände dort und ob es wirklich so einfach sei. Er habe die Überlegung gehabt, seine Erfahrungen zu veröffentlichen, aber eigentlich habe die Doppelidentität „keine speziellen Gründe“ gehabt. Zu Albrechts Verhältnis zu Waffen sei ihr nichts aufgefallen, er habe immer ein Opinel-Messer dabei, sonst nichts.

Ti. sagte auf Frage zu möglichen Anschlagsplänen: „Ich musste mich auch fragen, was da los war.“ Bezüglich des Tatplans sei das von Anfang an absurd gewesen, dass er einen Anschlag machen wollte. „Weil ich ihn anders kennengelernt habe.“ Er habe ihr von dem Versuch, Anetta Kahane in ihrem Büro zu sprechen, erzählt und von anderen ähnlichen unangekündigten Besuchen bei anderen. „99 von 100 machen das nicht, das Vorgehen ist speziell“. Ti. führte aus: „Wenn ich ihm widersprochen habe, dass ich etwas zu Migration nicht so sehe und das für Schwachsinn halte, da ist er mich nicht angegangen“. Das habe für sie keinen Sinn gemacht, dass er Kahane laut Anklage etwas Schlimmes wollte. Von dem versuchten Treffen mit Kahane habe er ihr direkt danach erzählt, dass er dort gewesen sei, aber dass er sie nicht angetroffen habe. Das mit der Tiefgarage habe er ihr nicht erzählt, das habe sie aus den Medien erfahren. Das Vorgehen bei anderen Besuchen sei ähnlich gewesen, daher sei das für sie schlüssig gewesen.

Die Bundesanwaltschaft fragte, ob Ti. von Albrechts Reise nach Frankreich im Frühjahr 2022 im Vorhinein gewusst habe, dies bejahte die Zeugin. Auf Frage sagte sie, von den Sprachmemos habe sie nur im Nachhinein erfahren, das habe für sie Fragen aufgeworfen. „Man kann an den Memos eine Entwicklung sehen, das am Schluss ist differenzierter.“ Auf Frage nach der Masterarbeit Francos sagte Ti., dass Albrecht ihr gesagt habe, dass er in Schwierigkeiten gekommen sei, er habe sie ihr mal gegeben, sie hab angefangen zu lesen, habe sie aber formal so fürchterlich gefunden, dass sie nicht weiter gelesen habe. Die Bundesanwaltschaft hakte am Ende der Befragung nach, warum Ti. nun doch ausgesagt habe. Ti. sagte, sie sei aus dem Saal rausgegangen und habe das Gefühl gehabt, das sei die falsche Entscheidung gewesen. Auf Frage bejahte sie, dass sie nach ihrer verweigerten Aussage Albrechts Mutter angerufen habe, sie habe ihr gesagt, dass sie nicht kommen müsse.

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