„Die Tasche haben wir ihm partout nicht abnehmen können.“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 29. Sitzung, 24.03.22

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Am 24. März 2022 waren die beiden Polizeibeamt*innen vom Polizeipräsidium Süd-Osthessen in Offenbach geladen, die Franco Albrecht am 11. Februar 2022 an der S-Bahnhaltestelle Ledermuseum kontrollierten und in Gewahrsam nahmen. Sie beschrieben, dass der Angeklagte sich massiv wehrte und erst mit Hilfe der zur Verstärkung herbeigerufenen weiteren fünf Polizeistreifen festgenommen werden konnte. In der von ihm mitgeführten Stofftasche von Aldi fanden sich Buttons und Abzeichen mit „Bezug zum Nationalsozialismus“, beispielsweise mit Hakenkreuzen. Außerdem hatte Albrecht ein Messer in der Jackentasche. Als dritter Zeuge sagte Holger Ka. aus, er wurde auf Antrag der Verteidigung geladen. Albrecht besuchte ihn unangekündigt, um bei ihm eine „Dunkeltherapie“ zu machen, die der Zeuge sich ausgedacht hat.

Vor Beginn der Zeug*innenbefragung machte der Vorsitzende Richter Dr. Koller – offenbar um längere Monologe zu vermeiden – den Angeklagten Albrecht darauf aufmerksam, dass es bei den Ladungen der Polizeibeamt*innen für ihn darum gehe, was er bei sich geführt habe. Daher müsse Albrecht ihnen nicht seine Version der Dinge entgegenhalten. Es werde ja vielleicht noch ein Verfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte geben, „aber das verhandeln wir hier nicht“. Er glaube daher auch nicht, dass sie die Videos der Festnahme beschlagnahmen müssten, wie von Verteidiger Schmitt-Fricke gefordert.

Die erste Zeugin war die Polizeikommissarin We. Sie sagte aus, sie sei am 11. Februar 2022 mit ihrem Kollegen unterwegs gewesen. Sie seien dann von ihrem Vorgesetzten angewiesen worden, zu der S-Bahnhaltestelle zu fahren, um eine bestimmte Person zu finden und zu kontrollieren. Sie hätten dazu eine Personenbeschreibung und den Namen Franco Albrecht bekommen. Sie hätten die Person an der Haltestelle festgestellt, der Ausweis habe die Identität bestätigt. Sie sollten ihn außerdem durchsuchen. Dem habe sich Albrecht aber widersetzt, er sei rückwärts gegangen, habe trotz Aufforderung die Aldi-Stofftasche, die er bei sich hatte, nicht herausgeben wollen. Er versuchte wegzulaufen, sich der Kontrolle zu entziehen. Sie hätten ihn dann fixiert, das Ganze habe sich dann auf die Bahnhofsvorhalle „verlegt“, da Albrecht immer wieder versucht habe, sich der Kontrolle zu entziehen. Sie hätten mehrfach versucht, ihn zu Boden zu bringen und dort zu fixieren. Albrecht habe trotz „gegenteiliger Aufforderung“ mehrfach die Hände in den Taschen gehabt, daher hätten sie ihm mit dem Einsatz eines Tasers gedroht. Daraufhin habe Albrecht zwar die Hände hoch genommen, sich aber nicht auf den Boden gelegt oder an die Wand gestellt, wie aufgefordert. Sie hätten dann Reizgas eingesetzt, das habe aber keine Wirkung gezeigt. Dann seien weitere Kräfte eingetroffen, Albrecht konnte erst durch mehrere Streifen auf dem Boden gehalten werden. Sie habe dann die Alditasche durchsucht, dies sei mit einer Bodycam dokumentiert worden. Auf Kollers Frage beschrieb die Zeugin den Inhalt der Tasche. Darin seien handschriftliche Dokumente sowie Buttons und Abzeichen „mit Verbindung zum Nationalsozialismus“ wie Hakenkreuze gewesen. Albrecht habe auch ein Handy dabei gehabt, sie wisse aber nicht, ob es in der Tasche oder woanders gewesen sei. Die Kollegen hätten im Nachhinein noch ein Messer festgestellt, sie selber habe es aber nicht gesehen.

Auf Nachfragen sagte die Zeugin, Albrecht habe die Tasche „extrem festgehalten“ er habe sie immer wieder zur Seite gehalten, wenn ihr Kollege danach gegriffen habe. „Die Tasche haben wir ihm partout nicht abnehmen können“, er habe sich gewunden und gesperrt. Er habe sich beschwert, warum er kontrolliert werde, er wolle nicht kontrolliert werden. Bei der Taser-Androhung habe er explizit gesagt, er werde den Aufforderungen nicht Folge leisten.

Verteidiger Schmitt-Fricke fragte, ob die Zeugin wisse, dass es schon Durchsuchungen bei Albrecht gegeben habe, die danach vor Gericht keinen Bestand gehabt hätten. Dies verneinte die Zeugin. Albrecht fragte, ob auf den Abzeichen in der Tasche nur Abzeichen mit NS-Bezug gewesen seien oder auch andere. Die Zeugin antwortete, sei habe Helme und Hakenkreuze und nichts anderes gesehen. Der Angeklagte fragte, sie ein Holzschächtelchen gesehen habe und ob darin Orden gewesen seien. We. sagte, das habe man nicht mehr feststellen können, weil die Tasche so rumgeschleudert worden sei.

Als zweiter Zeuge sagt der Polizeikommissar Be., der Kollege der ersten Zeugin, aus. Auch er erzählte, dass sie den Auftrag bekommen hätten, eine Person am Bahnhof einer Kontrolle zu unterziehen und mitgeführte Gegenstände zu durchsuchen. Sie seien hingefahren und hätten gewartet, bis die Person auftauchte, sie hatten eine Personenbeschreibung und den Namen. Der Angeklagte sei die Treppe hochgekommen, er habe auf die Personenbeschreibung gepasst, daher hätten sie beschlossen ihn zu kontrollieren. Die Durchsuchung der Gegenstände habe er „vehement verneint“. „Er zeigte sich mit der Maßnahme nicht einverstanden.“ Er, Be., habe ihn drei- bis viermal in ruhigem Ton um die Tasche gebeten, habe dann versucht, die Tasche zu greifen. Albrecht habe sie weggerissen und sei weggerannt. „Ich konnte ihn erwischen.“ Er, Be., habe Albrecht mit „einfacher körperlicher Gewalt“ zu Boden gebracht, aber eine Fixierung am Boden sei nicht möglich gewesen. Albrecht habe sich immer wieder gesträubt und habe geschafft aufzustehen.

Be. berichtete, er habe bereits Verstärkung gerufen, als er Albrecht zum zweiten mal zu Boden gebracht habe. Er sei drei bis vier Meter weggerannt, dann habe er, Be., ihn wieder zu Boden gebracht, „das gleiche Spiel“. Es sei nicht möglich gewesen, ihn am Boden festzunehmen, „irgendwann war mir das zu blöd“. Daher habe er seinen Taser gezogen – das sei das „mildeste Mittel“ – und habe gesagt, Albrecht solle die Hände hochnehmen, weil er zuvor die Hände an seinen Taschen und an der Alditasche gehabt habe. Mit der Androhung habe er die Lichtbögen des Tasers aktiviert, da gebe es ein akustisches Signal, das habe Albrecht gehört und habe dem Folge geleistet. „Hinter meinem Rücken haben sich diverse Zivilisten angehäuft“. Albrecht habe die Hände oben gehabt, die Tasche zwischen seine Beine gestellt aber angekündigt, dass er sich widersetzen werde. Daher habe er, Be., sein Pfefferspray eingesetzt und dann sei er wieder auf den Taser gewechselt. Dann sei die Verstärkung eingetroffen, sie hätten ihn erst mit sechs bis acht Personen zu Boden bringen können. Auch da habe er die Aldi-Tasche solange festgehalten und sich gesträubt, bis einer der Henkel abgerissen ist.

Auf Nachfrage sagte der Zeuge, er habe das Messer erst im Nachhinein gesehen, es sei ein Klappmesser gewesen. Franco Albrecht sei dann ID-behandelt worden und dann von der Dienststelle entlassen worden.

Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft fragte, ob sich der Angeklagte in die Tasche gegriffen habe. Dies bejahte der Zeuge: „Als wir am Boden gekämpft haben, hat er sich in Jackentasche gegriffen.“ Verteidiger Schmitt-Fricke fragte, wo das Messer gewesen sei. Be. antwortete, der Kollege habe gesagt, es sei in der Jackentasche gewesen. Albrecht fragte, ob „die Person“, die kontrolliert wurde, geschlagen oder getreten habe. Be. sagte, er habe sich „passiv gewehrt“, habe sich ruckartig gelöst, aber nicht aktiv angegriffen.

Nachdem der Zeuge entlassen wurde, verlas Richterin Adlhoch, dass ein Messer mit braunem Griff, Klingenlänge 7 cm in der Jackentasche gefunden worden sei.

Albrechts Besuch bei verschwörungsideologischem Autor

Als dritter Zeuge betrat Holger Ka. den Gerichtssaal. Da er ungeimpft ist, musste er bei seiner Aussage die Maske aufbehalten. Der Zeuge sagte, er sei Psychologe gewesen, nun sei er in Rente. Albrecht sei mal bei ihm gewesen: „Vor meinem Haus ist ein großer Kiesweg, es knirschte und ich ging raus“. Da sei ein Auto gewesen mit einem Nummernschild, das er nicht gekannt habe, später habe sich herausgestellt, dass es ein Nummernschild der Bundeswehr gewesen sei. Da sei ein „freundlicher Mann“ gewesen, der sagte er sei interessiert an einer Therapie, die er, Ka., entworfen habe, die „Dunkeltherapie“. Deswegen kämen immer wieder Leute zu ihm, aber er biete sie nicht mehr an. „Er wollte unbedingt sieben Wochen in die Dunkelheit, das ist das Minimum.“ Albrecht habe Druck gemacht, er solle ein Apartment für die „Dunkeltherapie“ einrichten, er habe das nicht gemacht, „ich habe die Forschung schon abgeschlossen“.

Der Mann habe gesagt, er sei Soldat und er, Ka., habe ihn gefragt, was er als Soldat mache und er habe es ihm erzählt. Der Vorsitzende Richter Koller hinterfragte, dass Ka. in seiner Vernehmung im November 2017 die Dunkeltherapie nicht so in den Vordergrund gestellt habe. Ka.: „Doch, doch!“ Koller fragte weiter, was Albrecht ihm erzählt habe. Der Zeuge sagte, Albrecht habe ihm erzählt, er sei auf einer Offiziersschule, er trainiere Häuserkampf. Es gefalle ihm, er wolle daher befördert werden. Koller fragte, was Albrecht zu seinen Plänen mit der „Dunkeltherapie“ angegeben hatte. Ka.: „Er wollte einen geistigen Prozess durchlaufen, sieben Wochen allein in Dunkelheit, da passiert viel, mein Buch dazu liegt vor. Er hatte verschiedene Vorstellungen, was er dadurch erreichen könnte.“ Ka. nennt eine „höhere Erkenntnis seiner Selbst“ und „seinen wahren Wesenskern zu erkennen“, er habe Interesse gehabt, einem „spirituellen Weg zu folgen“. Auf Nachfrage Kollers sagte der Zeuge, Albrecht habe dann nochmal angerufen, ob es nicht doch ginge, aber er, Ka., habe erneut abgelehnt. Koller sagte, der Zeuge frage sich bestimmt, warum er geladen sei. Ka.: „Allerdings!“ Koller erklärte, seine Ladung sei auf einen Beweisantrag der Verteidigung hin erfolgt, wegen der Einschätzungen, die er, Ka., in seiner Vernehmung geäußert hätte. Der Zeuge erwiderte, Albrecht habe ihm gegenüber nichts von Plänen geäußert oder davon, das System stürzen zu wollen. Koller: „Kennen Sie sich mit Reptiloiden aus?“ Ka.: „Ja, darüber habe ich elf Bücher geschrieben!“ Koller: „ Darüber möchte ich jetzt keinen Vortrag hören, aber hat der Angeklagte dazu was gesagt?“ Ka.: „Er hat noch nie eins meiner Bücher gelesen.“

Albrecht sagte, in seiner Vernehmung 2017 habe der Zeuge gesagt, Albrecht sei schon einmal da gewesen. Ka. bestätigte das, Albrecht habe ihm damals erzählt, er sei schonmal da gewesen, aber er, Ka., sei nicht zu Hause gewesen. Albrecht hielt dem Zeugen vor, dieser habe in seiner Vernehmung gesagt, er habe Albrecht so verstanden, dass er für den Häuserkampf in Deutschland trainiere, falls das System zusammenbricht. Ka. bestätigte, so habe er es verstanden. Albrecht fragte dann, ob sie auch über „Ausnahmesituationen, wie im Moment“ gesprochen hätten und ob der Zeuge wegen einer „Prophezeiung“ eines anderen verschwörungsideologischen Autors seinen Wohnsitz in dessen Nähe in Süddeutschland gewählt habe. Ka. antwortete, die aktuelle Situation sei da ja noch nicht abzusehen gewesen und dass er zufällig in Süddeutschland wohne.

Nachdem der Zeuge entlassen wurde, erklärte Albrecht, der Zeuge sei deswegen wichtig gewesen, um zu zeigen, dass er sich vorher nicht angekündigt habe, das sei wichtig und eine Analogie zu seinem sonstigen Verhalten. In dem Zeitraum habe er ja mehrere Besuche gemacht. Er habe immer Kontakt aufbauen wollen, so dass beispielsweise ein anschließendes Telefonat weniger schwierig sei. Seine Erfahrung sei, dass man so eher ein Gespräch bekomme, als wenn man einen Termin mache. Er habe mit Ka. über das Thema Bürgerkrieg gesprochen und dass sein Häuserkampftraining für so ein Szenario nützlich sei. „Wir hatten auch über Prophezeiungen gesprochen, für wie wahrscheinlich er das hält.“ Danach endete die Sitzung.

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