„Das klingt alles auch nicht so gut.“ – Der Prozess gegen Franco Albrecht – 27. Sitzung, 24. Februar 2022

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Am ersten Verhandlungstag nach der erneuten Festnahme des Angeklagten Franco Albrecht ging der Vorsitzende Richter Koller zunächst auf die Umstände dieser Festnahme sowie auf die währenddessen und bei der folgenden Hausdurchsuchung gefundenen Gegenstände ein. Dabei handelt es sich unter anderem um 23 Hakenkreuz-Abzeichen/Anstecker, 21 Mobiltelefone, 50 SIM-Karten, Hiebwaffen und einen gefälschter Impfausweis. Außerdem wurde Albrechts Laptop mitgenommen. Albrecht war Mitte Februar nach Frankreich gereist und traf dort Alexander J., der bereits als Zeuge im Prozess aussagte. An diesem Prozesstag beantragte Albrechts Verteidiger RA Hock, von seinem Mandat als Pflichtverteidiger entbunden zu werden. Außerdem war der Zeuge Renée L. geladen, der Franco Albrecht und Maximilian Ti. bei einer zivilen Schießveranstaltung kennenlernte.

An diesem Verhandlungstag wurde Franco Albrecht aus der Untersuchungshaft mit Handschellen vorgeführt. Zu Beginn des Verhandlungstages sagte der Vorsitzende Richter Koller, es gäbe einen Beschlagnahmebeschluss für die Gegenstände, die am 11. Februar 2022 gefunden wurden: 23 Abzeichen und Anstecker mit Hakenkreuzen. Zu denen habe Albrecht bereits bei seiner Vorführung nach seiner Festnahme vor dem Senat gesagt, sie seien von der NSDAP. Außerdem seien eine schwarze Box und eine Alditüte beschlagnahmt worden. Koller fuhr fort, dass man die schriftlichen Unterlagen und Telefone noch nicht beschlagnahmt habe, man habe sie mit einem Ermittlungsauftrag zur Durchsuchung an das BKA gegeben: „Angeklagt ist Ihr Verhalten bis April 2017, was danach ist, ist für dieses Verfahren nicht relevant.“ Die Daten würden auf Schlagworte aus der Anklage durchgesehen.

Richterin Adlhoch unterbrach die weiteren Ausführungen Kollers mit einem geflüsterten Hinweis, worauf dieser fragte: „Ist Frau Ti. anwesend?“ Er sagte, dass die Lebensgefährtin Albrechts nun den Besucher*innenraum verlassen müsse, es tue mir leid, aber vielleicht brauche man sie als Zeugin noch. Koller fuhr fort, dass bei Albrecht ein Computer, 21 Mobiltelefone, 50 SIM-Karten, sieben Hiebwaffen wie Macheten, davon zwei angespitzt, sowie ein gefälschter Impfausweis gefunden wurden: „Das klingt alles auch nicht so gut.“ Das werde wohl weitere Verfahren geben. Man habe das weitergegeben und dafür sei nun die Staatsanwaltschaft zuständig. Man werde die Dinge nun auswerten und gegebenenfalls in Augensein nehmen. Wenn es sich um Beweismittel handele, werde man sie beschlagnahmen, aber nicht alles, nur was bis April 2017 wichtig war.

Man habe heute außerdem Behördenzeugnisse vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) und vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekommen. Ersteres verlas der Vorsitzende Richter. Der MAD habe am 13. Februar 2022 [phon.] an den Staatsschutz Offenbach gemeldet, dass bekannt geworden sei, dass Albrecht am 11. Februar 2022 Alexander J. in Straßbourg aufgesucht habe. Albrecht sei mit einer Umhängetasche angereist und mit der Umhängetasche und einer Alditüte abgereist. Das Zeugnis des BfV verlas Koller nicht, sagte aber, es stünde dasselbe darin, aber man wolle es in einer Form haben, die man in den Prozess einführen könne.

Nach diesen Ausführungen meldete sich Albrechts Verteidiger Hock zu Wort und stellte den Antrag, ihn von seiner Verpflichtung als Pflichtverteidiger zu entbinden. Er und der Angeklagte hätten unterschiedliche Vorstellungen zur Verteidigung, es gäbe einen Konflikt, aufgrund dessen er sein Verteidigungskonzept nicht mehr umsetzen könne. Als Ersatz schlage er RA Prof. Haffke vor, dieser sei mit dem Verfahren vertraut. Weder Albrecht noch sein zweiter Anwalt Schmitt-Fricke wollten dazu eine Stellungnahme abgeben. Letzterer sagte, dies gehe offenbar zurück auf auf eine dreistündige Unterredung in der JVA, er wolle sich aber raus halten. Koller fragte, ob man also den Prozess unterbrechen und neu ansetzen solle. Das verneint die Verteidigung, Prof. Haffke sei mit dem Verfahren vertraut. Koller entgegnete, es gäbe ja auch noch einen weiteren Pflichtverteidiger, und dass Prof. Haffke mit der Hauptverhandlung nicht vertraut sei. Die Bundesanwaltschaft beantragte, den Antrag zurückzuweisen.

RA Hock verlas dann eine Gegendarstellung zu einer Ablehnung eines Beweisantrags. Das Verlesene wirkte recht unzusammenhängend, erneut wurde ausführlich aus Zeitungsberichten zitiert: Menschen aus Syrien hätten 2015 einen „Sonderstatus“ gehabt, es habe keine Einzelfallprüfung mehr gegeben. Im Anschluss fragte Koller, was daran strafprozessual sei, das sei ja eher etwas für die Revision. Albrecht sagte, das sei eine „Gegenvorstellung in Arbeit“ gewesen, diese habe sich auf den beschlagnahmten Geräten befunden, die Teile seien noch nicht zusammengefügt. Das sei noch nicht alles. Koller sagte, er verstehe nicht, warum das auf Albrechts Rechner sei und nicht bei den Verteidigern. Albrecht sagte, das sei selbstverständlich bei ihm: „Ich muss denen ja zuarbeiten!“ Der Computer sei bei ihm im „Verteidigungsraum“. Koller: „Der Verteidigungsraum, in dem auch die Macheten gefunden worden?“ Albrecht entgegnete wütender, die Macheten seien die gleichen, die er schon bei den Durchsuchungen 2017 unter der Matratze gehabt habe. Die seien nie mitgenommen worden. Er sei gerade dabei gewesen, sie abzufotografieren, um einen Beweisantrag damit zu stellen, deswegen seien die oben im „Verteidigungsraum“ gewesen. Albrecht fügte hinzu, für den kommenden Zeugen habe er die Vernehmung durchgearbeitet, er könne ohne Vernehmung nicht mit Vorhalten arbeiten, er habe seine Verteidigungsunterlagen nicht und habe sich nicht vorbereiten können. Koller entgegnete, Albrechts Anwälte hätten ja die Unterlagen. Hock: Die Anmerkungen von Herrn Albrecht habe ich nicht.“ Koller sagte, sie müssten sich gemeinsam vorbereiten.

Die Bundesanwaltschaft stellte den Antrag, die Zeugin Natalija Alexejewna Narotschnizkaja zu laden, um zu zeigen, dass sie ein rechtes Weltbild habe. Albrecht habe angegeben, er habe sie in Paris treffen wollen. Die Bundesanwaltschaft sagte, diese Zeuginnenladung werde beweisen, dass Narotschnizkaja die nationalistisch-patriotischen Ansichten des Angeklagten teile. Er habe sie also treffen wollen, weil er diese Ansichten teile. Das sei also nicht vergleichbar mit dem Versuch Albrechts, Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung zu treffen, so wie der Angeklagte es behaupte. RA Schmitt-Fricke sagte, das decke sich nicht mit den „Ermittlungen“ der Verteidigung, laut eines Buches sei sie eine ehemalige KGB-Agentin: „Es gibt nichts linksradikaleres“.

Vernehmung Hauptmann Renée L.

Nach einer Pause betrat der Zeuge Renée L. den Zeug*innenstand. Er ist Soldat bei der Bundeswehr, im Dienstgrad Hauptmann. Auf Fragen den Vorsitzenden Richters gab er an, Albrecht ein einziges Mal gesehen zu haben. Das sei auf einer zivilen Veranstaltung am 15. Oktober 2016 gewesen. Waffenhändler aus der Region, darunter der Herr He., hätten ein „Schnupperschießen“ veranstaltet, eine „Sportveranstaltung“. Er sei erst als Kunde da gewesen, habe aber, als eine Schießstandaufsicht ausgefallen sei, an einem Stand zwei bis drei Stunden Standaufsicht gemacht. Albrecht habe mit einer Kurzwaffe geschossen, er, L., habe ihn eingewiesen. Albrecht habe nur gesagt, er sei Soldat, er wisse wie man damit umgeht, „aber ich habe es ihm gezeigt, ich kannte ihn ja nicht“. Albrecht sei mit Maximilian Ti. bei ihm am Schießstand gewesen, später hätten die beiden nochmal mit Langwaffen an einem anderen Stand geschossen. Man habe dort nur mit ausgeliehenen Waffen schießen können, „man konnte keine Munition entwenden“, das sei durch die Aufsichten sichergestellt worden. Der Abend sei dann länger geworden. Bis 18 Uhr sei Schießbetrieb gewesen, dann wurde aufgeräumt, die Waffen verpackt und verwahrt, auch dabei habe er geholfen. Für das Funktionspersonal habe es danach noch ein Getränk gegeben. Albrecht und Ti. hätten ihm gegenüber gesessen. Das sei reiner Zufall gewesen, sagt L. auf Frage. Sie hätten sich ein bis zwei Stunden unterhalten, daher wisse er auch, dass beide Soldaten seien. Man habe sich darüber unterhalten, was man erlebt habe und über Besonderheiten, Albrecht sei ja in Frankreich gewesen.

Koller fragte, ob sie sich auch über die aktuelle Lage unterhalten hätten. Das bejahte der Zeuge. Er selbst sei 2015/16 in Mali eingesetzt gewesen. Er kenne die Lage. „Flüchtlingsströme“ seien ein Thema gewesen, „ich weiß nicht mehr, wer das Gespräch wann wie angefangen hat“. Er habe viele Eindrücke von Situation, auch über Kollegen von der Bundeswehr, die dort gearbeitet haben, „was es für Menschen bedeutet, in Unterkünfte gepfercht zu werden“. Koller fragte nach konkreten Äußerungen Albrechts, der Zeuge sei ja auf Antrag der Verteidigung geladen worden. L. antwortete, das sei ein längerer Abend, ein langer Tag gewesen. Er wisse nicht mehr, wer was gesagt hat. Es wurde eine Bedrohung gesehen, „das wurde gesagt“, aber in der Runde seien noch andere gewesen. Es seien auch „stammtischmäßige“ Sachen gesagt, aber er könne es nicht mehr zuordnen.

RA Hock fragte, ob von Bedrohung gesprochen wurden, oder ob eine Bedrohungslage erörtert wurde oder nur das Wort. L: „Einfach das Wort.“ Es seien Worte, die in den Nachrichten gewesen seien, „aber es wurde keine Lage besprochen“. Es habe keine Gespräche über einen Feind gegeben, „das kann ich verneinen“. Albrecht befragte den Zeugen weiter zu dem Gespräch am Abend. Der Zeuge bestätigt, dass es auch darum gegangen sei, dass sich im „Flüchtlingsstrom“ auch Terroristen befänden. Er, L., habe dazu aber keine eigenen Informationen gehabt, er habe das Berichten und Medien genommen. L. bestätigte dann Albrechts Vorhalt, dass es auch um Großväter und den 2. Weltkrieg gegangen sei und dass man sich sowas nicht wünsche. Koller unterbrach und forderte Albrecht auf, es komplett vorzuhalten: ‚Aber ich kann mich nicht erinnern, wer es am Tisch gesagt hat.‘ Koller fragte, was der Beweiswert sei. Albrecht antwortete, das solle zeigen, dass dies Gespräche seien, wie er sie immer geführt habe. Es ginge gar nicht darum, ob sich L. konkret erinnern könne, der Beweiswert sei, dass überhaupt darüber gesprochen wurde. Koller: „Nächste Frage.“ Albrecht: „Gab es hetzerische Töne am Tisch?“ Der Zeuge verneint. Albrecht fragte nach Abläufen bei der Bundeswehr, beispielsweise, ob es normal sei, dass der Zugführer zweimal am Tag fünf Minuten mit seinem Zug meditiert. L. antwortete, das sei nicht der Standard. Albrecht fragte weiter, ob es normal sei, dass ein Gruppenführer einen Kampfschrei mache und der Rest rufe es nach. Das bestätigte der Zeuge und dass dies drei mal der Fall sei. Albrecht ging dann auf seinen angeblich geplanten Kampfruf, sollte er zum Zugführer ernannt werden, ein. [Dies bezieht sich auf eine Behauptung zu einer bei ihm gefundenen Notiz, ‚Wer …wenn nicht wir, Wann…wenn nicht jetzt, Wo … wenn nicht hier]. Albrecht fragte, ob so ein Kampfruf denkbar sei, Koller unterbrach aber, das sei spekulativ. Danach wurde der Zeuge entlassen.

Damit endete der 27. Verhandlungstag.

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