An diesem Prozesstag hielten die Verteidiger von Stephan Ernst, Mustafa Kaplan und Jörg Hardies, ihr Plädoyer. Sie forderten, Stephan Ernst nicht wegen Mordes an Walter Lübcke zu verurteilen, sondern wegen Totschlags. Außerdem wurde ein Freispruch bezüglich des Angriffs auf Ahmed I. gefordert. Markus Hartmann sei als Mittäter zu verurteilen, da er bei der Ermordung Walter Lübckes anwesend sowie bei der Tatplanung und der Ausspähung beteiligt gewesen sein soll.
Ernsts Verteidiger, Rechtsanwalt Kaplan, begann das Plädoyer mit Ausführungen zur Besonderheit des Verfahrens sowie der Kindheit und Jugend von Stephan Ernst. Mehrfach betonte er, mit der Darstellung von Ernsts Werdegang seine „fremdenfeindliche“ Einstellung nicht entschuldigen, aber doch erklären zu wollen. Das Wort Rassismus kam Kaplan dabei nicht über die Lippen. Vielmehr pathologisierte er Ernsts Verhalten und bemühte sich, die politische Dimension der Taten zu verdecken. Er wolle, so Kaplan, „den Täter Ernst nicht zum Opfer Ernst verkehren“, und tat doch genau das. Er stellte Ernst als Opfer seiner früheren Anwälte dar, die ihm die jeweilige Version seines Geständnisses angeraten haben sollen. So ordnete er auch die Rolle des Mitangeklagten Hartmann ein, der Ernst manipuliert habe.
Diese Verkehrung gipfelte schließlich in der Forderung, Ernst nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags zu verurteilen. Es lägen keine niederen Beweggründe für die Tat vor, da Ernst in dem Irrglauben gehandelt habe, ein Allgemeininteresse zu vertreten. Hier wurde auch klar, weshalb es für die Verteidigung von Ernst so wichtig war, die Anwesenheit des Mitangeklagten Hartmann am Tatort zu belegen. Denn auch das zweite Mordmerkmal, die Heimtücke, sei dann nicht gegeben, da Walter Lübcke durch die Konfrontation mit Hartmann und Ernst auf der Terrasse nicht arglos gewesen sei.
Kaplan betonte mehrfach, wie vorbildlich Ernsts Aussageverhalten und seine Offenheit gegenüber dem Gericht und der Nebenklage Lübcke gewesen sei. Dabei hatte Ernst die Fragen der Nebenklage zum Angriff auf Ahmed I. nicht beantwortet und sich zur Naziszene und seinen Aktivitäten immer nur widerwillig und oberflächlich geäußert.
Der zweite Verteidiger, Jörg Hardies, äußerte sich zum Angriff auf Ahmed I. Hardies unterließ keine Gelegenheit, den Betroffenen zu diskreditieren und seine Glaubhaftigkeit anzuzweifeln. Er unterstellte ihm gar monetäre Interessen. Hardies bewertete das DNA-Gutachten, das Ahmed I. als Spurenverursacher für die Gewebespur am Messer aus Ernsts Keller nicht ausschließen konnte, als unwissenschaftlich, griff die Nebenklage an und forderte einen Freispruch für diesen Fall.
Kaplan betonte abschließend, dass sein Mandant der Familie Lübcke jederzeit auch nach dem Prozess auf ihre Fragen antworten wolle und forderte vom Gericht eine angemessene Freiheitsstrafe ohne Sicherungsverwahrung für seinen Mandanten. Damit endete der Prozesstag.