32. Prozesstag, 24. November 2020

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An diesem Verhandlungstag wurden die Ermittlungen zum Angriff auf Ahmed I. am 6. Januar 2016 in den Blick genommen. Diese erschienen in keinem guten Licht: Ahmed I. wurde am Morgen nach dem Mordversuch auf ihn stundenlang verhört; in den Vermerken dazu nannte der zuständige Ermittler ihn nur „der Ahmed“. Als erste Zeugin wurde die Ermittlerin gehört, die 2019 die Hausdurchsuchung bei Ernst wegen des Verdachts beantragte, er könnte neben dem Mord an Walter Lübcke auch den Angriff auf Ahmed I. begangen haben. Sie war 2016 nicht in die Ermittlungen eingebunden und bewertete sie neu. Zweiter Zeuge war der Polizist, der Ahmed I. nach dem Angriff auf ihn dreimal vernahm. Die erste Vernehmung von I. fand am Morgen nach dem Angriff und der darauffolgenden Operation statt. Auf Fragen von Nebenklageanwalt Hoffmann sagte der Zeuge, er habe nicht erfragt, welche Narkose und Medikamente I. bekommen habe. Dritte Zeugin war die Dolmetscherin, die 2016 übersetzte. Als vierter Zeuge sagte ein weiterer Ermittler aus.

Zu Beginn des Prozesstags verlas RAin Schneiders von der Verteidigung Hartmann einen Ablehnungsantrag gegen den Waffensachverständigen des LKA. Sie beantragte außerdem, ein Schreiben des Ordnungsamts auszugsweise zu verlesen. In diesem gehe es um eine unangekündigte Aufbewahrungskontrolle bezüglich der Waffen, die auf dem Waffenschein Hartmanns eingetragen waren. Bei dieser habe nichts gefehlt. Dies widerlege die Aussage von Ernst, der angegeben hatte, dass Hartmann ihm dauerhaft eine seiner legalen Waffen überlassen habe. OStA Killmer beantragte dann, den Richter am Bundesgerichtshof zu laden, den Hartmann nach dem Verlesen des Vorwurfs gefragt hatte, warum Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht Teil des Vorwurfs sei. Das zeige, dass Hartmann am Mord an Walter Lübcke beteiligt und eingeweiht gewesen sei.

Als erste Zeugin des Tages war dann Maria D. von der Kriminalkommission Kassel geladen. Sie berichtete zunächst von ihrer damaligen Aufgabe: Bei der Soko Liemecke seien Verdachtsmomente aufgetaucht, dass Stephan Ernst neben dem Mord an Walter Lübcke auch für den Mordversuch an Ahmed I. am 6. Januar 2016 verantwortlich gewesen sein könnte. Sie sei in die Ermittlungen 2016 nicht einbezogen gewesen, sondern sollte diese neu bewerten. Sie habe dann die Durchsuchung bei Stephan Ernst beantragt, um nach Fahrrädern, dem Messer und Tatkleidung zu suchen. Diese sei am 25. Juli 2019 durchgeführt worden. Sie hätten Messer, Winterjacken und Kopfbedeckungen mitgenommen. Auf Karten zeigte die Zeugin dann mögliche Wege vom Haus von Ernst zu seiner Arbeitsstelle, die zwei bis drei Kilometer entfernt ist, sowie mögliche Wege von Ernsts Wohnort zum Tatort. Der Tatort des Anschlags auf Ahmed I. läge in etwa mittig auf diesem Arbeitsweg. Um den Tatort herum habe es vier Videoaufnahmen gegeben. Bei einer Firma im Gewerbegebiet, in dem der Mordversuch stattfand, habe es zwei Aufnahmen von einem Fahrradfahrer zum Tatort hin- und 20 Minuten später vom Tatort wegfahrend gegeben. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um den gleichen Fahrradfahrer, so die Zeugin. Mit den gefundenen Fahrrädern hätten sie eigentlich Vergleichsbilder mit den Kameras in Tatortnähe machen wollen, aber die Kameras seien 2019 nicht mehr in der Form vorhanden gewesen wie 2016.

Auf Nachfragen von Richterin Adlhoch zum „Besuch“ bei Stephan Ernst in der JVA Kassel, nach der erneuten Durchsuchung seines Hauses, sagte die Zeugin aus: Sie hätten ihm dies mitgeteilt, den Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt und den Tatvorwurf gemacht. Ernst habe „ungläubig geschaut“, habe ohne Anwalt keine Angaben dazu machen wollen, sagte jedoch dann, dass er statt des 6. Januars 2016, zu dem er bei seiner ersten Vernehmung gesagt hatte, er habe an dem Tag Wahlplakate beschädigt und „Ausländer beleidigt“, jedes andere Datum hätte nennen können. Die Zeugin gab an, darunter habe sie verstanden, dass er ein anderes Datum im Januar meinte und nicht das ganze Jahr über. Die Zeugin bestätigte den Vorhalt, dass Ernst in der JVA noch einmal davon gesprochen habe, dass er Schilder umgetreten und am hellichten Tag beim Edeka Forstfeld „Ausländer beleidigt“ habe. Auf Nachfrage sagte die Zeugin, sie hätten für den Zeitraum keine entsprechenden Anzeigen zu Sachbeschädigungen feststellen können.

Als zweiter Zeuge wurde der Polizist Ralf P. gehört, der Ahmed I. nach dem Angriff am 6. Januar 2016 befragte und Ermittlungen nach einem weiteren Vorfall tätigte, zu welchem er zuerst gefragt wurde. Es ging um die Beobachtung, dass drei Personen an der Tür von Ahmed I. die Namen gelesen und gesagt hätten: „Hier wohnt er“. Dies sei im zeitlichen Zusammenhang mit einem Interview geschehen, das Ahmed I. zu dem Angriff auf ihn im Fernsehen gegeben habe. Er, P., sei eine Woche nach dem Vorfall, zu dem sie ein Fax erhalten hätten, zur Unterkunft gefahren. Er habe aber niemanden gefunden, der diese Beobachtungen gemacht habe. Er habe dann in seinem Abschlussvermerk geschrieben, dass der Vorfall erfunden sei. Das sei „sein Gefühl“ gewesen. Dem Zeugen wurde außerdem ein Foto von ein paar Wochen nach diesem Vorfall vorgehalten, auf dem ein Hakenkreuz zu sehen ist, das vor der Unterkunft gesprüht wurde. Dazu konnte der Zeuge nichts sagen.

P. wurde dann zu den Vernehmungen von Ahmed I. befragt. Der Zeuge gab an, er habe I. an den ersten drei Tagen nach der Tat vernommen. Er habe zuvor im Krankenhaus angerufen und die Bestätigung der Vernehmungsfähigkeit erhalten. Er habe eine Dolmetscherin dabei gehabt. Der Zeuge, der in seinen Vermerken offenbar stets „der Ahmed“ schrieb, wenn er Ahmed I. meinte, sagte auf mehrfache Nachfrage, es habe keine Verständigungsschwierigkeiten zwischen der Dolmetscherin und Ahmed I. bei der Vernehmung gegeben. Er habe die Angaben der Dolmetscherin aufs Tonband gesprochen, diese seien Ahmed I. dann noch einmal vorgespielt worden. Ahmed I. habe in den ersten beiden Vernehmungen „wie ein Wasserfall“ gesprochen, erst bei der dritten Vernehmung habe er überlegter gewirkt. Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann fragte den Zeugen, wie er sich auf die damaligen Vernehmungen vorbereitet habe. Darauf und auf weitere Fragen sagte der Zeuge, er habe ein Vernehmungsformular ausgefüllt, habe eine Dolmetscherin für Arabisch bestellt, da er aufgrund der Staatsangehörigkeit I.s angenommen habe, dass dieser diese Sprache spreche, und es sei gefragt worden, ob er die Dolmetscherin verstehe. Hoffmann fragte, mit welchem Arzt P. gesprochen habe, worauf P. antwortete, dass sei der Stationsarzt gewesen. Dieser habe ihm nicht geschildert, was von Arztseite gemacht worden sei. P. habe erst später von der Operation und der Art der Verletzung erfahren. Er wisse nicht, wie viel Zeit zwischen der Operation und der ersten Vernehmung vergangen sei, habe aber gewusst, dass I. in der Nacht zuvor operiert worden war. Hoffmann hakte nach, ob P. wisse, ob die Operation unter Vollnarkose stattgefunden habe. Das verneinte dieser. Er habe auch nicht gewusst, ob und wenn ja, welche Medikamente I. an diesem Vormittag bekommen habe. Er habe Ahmed I. auch nicht danach gefragt. Auch am zweiten Tag habe er, P., sich vom Arzt sagen lassen, dass I. vernehmungsfähig sei und habe nicht gefragt, ob I. Medikamente bekommen habe. Hoffmann fragte dann nach der dritten Vernehmung am dritten Tag nach dem Angriff und wie diese im Vergleich zu den beiden ersten gewesen sei. P. wiederholte, dass I. hier am meisten überlegt habe. Hoffmann merkte an, dass die Fragen des Zeugen gar nicht im Vernehmungsprotokoll vermerkt seien. Dieser sagte, es sei kein Tonband gelaufen; nur die Antworten seien aufgenommen worden. Hoffmann fragte, ob es sich um ein Ergebnisprotokoll der Vernehmungen handele. P.: „Ein Wortprotokoll ist es nicht.“ Es folgte eine langwierige und zähe Befragung des Zeugen durch die Verteidigung Ernst.

Als dritte Zeugin wurde die Dolmetscherin der Vernehmungen, Roula R., vernommen. Auch sie gab zunächst an, es habe keine Verständigungsschwierigkeiten mit Ahmed I. gegeben. Sie sagte zum Ablauf: P. habe gefragt, sie habe übersetzt, Ahmed I. habe geantwortet, sie habe übersetzt und P. habe diese Antwort aufs Tonbandgerät gesprochen. Durch Nachfragen von Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann stellte sich heraus, dass R. keine vereidigte Dolmetscherin ist, sondern Fremdsprachensekretärin. Sie übersetze seit 2009 für die Polizei. Bei der Vernehmung der Zeugin kam es vor Gericht mehrfach zu Verständigungsschwierigkeiten und sie beantwortete die Fragen häufig nicht direkt.

Der letzte Zeuge, der Kriminalbeamte H., konnte nicht viel beitragen. Er war geladen, weil er u.a. zum Hakenkreuz, das vor die Unterkunft von Ahmed I. gesprüht war, ermittelt haben sollte. Daran konnte er sich allerdings nicht erinnern.

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