36. Prozesstag, 8. Dezember 2020

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Im Prozess zum Mord an Walter Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. stand an diesem Verhandlungstag die Aussage von Christoph Lübcke, dem Sohn von Walter Lübcke, im Mittelpunkt. Er beschrieb, wie er am Abend des Mordes an Walter Lübcke zum Haus seiner Eltern kam, als sein Vater schon reanimiert wurde. Er habe geholfen, mit einem Strahler geleuchtet und bis zuletzt gehofft, dass sein Vater noch lebe. Der Tod seines Vaters sei ein „unendlich großer Verlust“, insbesondere für die Enkel Walter Lübckes. Das merke er besonders zur Weihnachtszeit. Sein Kind frage nach seinem Opa – und er versuche so gut wie möglich zu erklären, was geschehen sei. Christoph Lübcke berichtete außerdem, wie er möglicherweise Ernst und Hartmann bei der Ausspähung des Tatorts sah.

Zu Beginn des Verhandlungstags verlas RAin Schneiders von der Verteidigung Hartmann einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Dieser drehte sich um die Vorladung des Richters vom Bundesgerichtshof zu Aussagen Hartmanns bei dessen Vorführung vor dem BGH. Schneiders führte aus, dass die Vertreter des GBA im Prozess, Killmer und Otto, bei dieser Zeugenvernehmung nicht hätten anwesend sein dürfen, weil sie beim BGH ebenfalls anwesend waren. Für diese Vernehmung hätte der GBA eine Vertretung schicken müssen. Da der Senat dies nicht angeordnet habe, sei er befangen. Im Anschluss daran verlas RA Clemens, ebenfalls von der Verteidigung Hartmann, einen weiteren Befangenheitsantrag. In diesem ging es nur um den Vorsitzenden Richter Sagebiel, u.a. wegen einer flapsigen Bemerkung von ihm, dass er Clemens nicht glaube und wegen einer Terminkollision zwischen dem Prozess in Frankfurt und einer anderen Verhandlung, an der Clemens als Anwalt teilnimmt.

Der Senat verlas dann einen weiteren Teil der Handakte von Ernsts Ex-Anwalt Frank Hannig, der bei der letzten Verlesung vergessen wurde. Es ging um handschriftliche Notizen von Stephan Ernst. Darin schrieb er, er sei in der Tatnacht ein Stück die Terrasse hoch auf Walter Lübcke zugegangen, Hartmann sei zur gleichen Zeit gekommen und Lübcke habe sie bemerkt. Auch hier wurde ein Wortwechsel beschrieben. Er, Ernst, habe den Hahn der Waffe schon gespannt gehabt, ein Schuss habe sich gelöst, er habe Lübcke nicht töten wollen. Der Senat verlas einen weiteren Punkt aus den Notizen, die besagten, dass Hannig mit Informationen an die Öffentlichkeit gehen dürfte; er, Ernst, bestätige, dass Hannig seine Worte widergibt, wenn er sich öffentlich zum Fall äußert.

Danach war erneut der Waffensachverständige Welkerling geladen. Er hatte nunmehr im Auftrag des Gerichts die bei Hartmann gefundene Dekowaffe wieder funktionstüchtig gemacht. Er zeigte von diesem Vorgang eine Fotodokumentation. Auf dieser war ersichtlich, dass die Waffe mithilfe von handelsüblichen Werkzeugen und mit zwei Teilen aus einer baugleichen Waffe innerhalb von wenigen Stunden wieder funktionsfähig machen konnte. Von dem Beschusstest brachte der Sachverständige außerdem ein Video mit. Es folgte eine längere allgemeine Diskussion zwischen dem Sachverständigen und der Verteidigung Hartmann sowie dem Angeklagten Hartmann selbst, die dadurch beendet wurde, dass Sagebiel klarstellte, dass in diesem Prozess im Vordergrund stünde, ob der Abzug unbenutzbar gemacht wurde und nicht die Waffe insgesamt.

Am Nachmittag sagte Christoph Lübcke, der ältere Sohn von Walter Lübcke, aus. Sagebiel fragte ihn zunächst nach dem Tatabend. Lübcke bestätigte, dass er erst am Tatort eintraf, als die Rettungskräfte schon vor Ort waren. Sagebiel fragte, ob er sich erinnere, wo sich das Tablet oder Handy seines Vaters befunden hätten. Lübcke sagte, er habe nur Gegenstände auf dem Tisch gesehen, nicht auf dem Boden. Er habe dann den Strahler holen sollen, damit die Ecken besser ausgeleuchtet waren, er habe am Kopf seines Vaters gestanden und habe mit dem Strahler geleuchtet. Christoph Lübcke beschrieb die Situation der versuchten Reanimation seines Vaters und dass auch er den Blutfleck an der Wand bemerkt habe, der sehr hell gewesen sei. Er habe im Krankenhaus von seinem Bruder gehört, dass sein Vater die Zigarette noch in der Hand gehalten habe, als dieser ihn fand, so Lübcke auf Frage von Richterin Adlhoch. Er habe bis zum Ende die Hoffnung gehabt, dass sein Vater leben werde, erzählte er weiter. Sagebiel fragte nun zunächst nicht mehr nach einzelnen Erinnerungen an den Tatabend, sondern was der Mord an Walter Lübcke allgemein für den Nebenkläger bedeute. Dieser sagte, es sei ein unendlich großer Verlust, vor allem für die Enkel, das merke er speziell jetzt zur Weihnachtszeit. Kürzlich sei der Nikolaus an ihrem Haus gewesen und dann weitergefahren, da habe sein Kind gefragt, wo er nun hinfahre. Er habe geantwortet, der Nikolaus fliege zurück in den Himmel. Da habe sein Kind gesagt, „da ist auch der Opa“. Das Kind käme nun in das Alter, wo es mehr Fragen stelle und frage, warum der Opa tot sei. Sie als Eltern würden nun erzählen, dass zwei böse Männer ihm eine Kopfverletzung zugefügt hätten.

Sagebiel erkundigte sich, wann der Nebenkläger seinen Hausneubau abgeschlossen habe. Christoph Lübcke antwortete, sie hätten das Haus umgebaut und in dem Zustand, in dem es jetzt sei, befinde es sich seit Anfang 2017. Sie hätten alles erneuert, außer dem braun-roten Sandstein. Er bejahte die Frage, ob man das Haus als rötlich wahrnehmen würde. Sagebiel sagte, dort solle Stephan Ernst Walter Lübcke 2018 zusammen mit einem Nachbarn gesehen haben, und fragte, ob der Nebenkläger dazu etwas sagen könne. Lübcke antwortete, er könne sich an eine Situation erinnern, in dem Zeitraum, in dem sein Kind geboren worden sei. Das habe man um Ostern herum gefeiert. In diesem Zeitraum habe sein Vater etwas bei ihm abgeholt und sie hätten sich unterhalten. Das sei an einem Samstag gewesen. Es sei eine eher außergewöhnliche Situation gewesen, da er und sein Vater zu viel unterwegs gewesen seien, um sich samstags tagsüber zu treffen und wenn, dann habe er eher seine Eltern besucht und nicht sie ihn.

Während er sich mit seinem Vater im Eingangsbereich seines Gartens unterhielt, habe er zwei Personen gesehen, die aus dem Ort gekommen und in Richtung Istha-Berg unterwegs gewesen seien. Diese seien auf sie zugekommen. Einer der beiden Männer sei größer gewesen als der andere. Der kleinere habe gegrinst und sein Gesicht habe ihn, Christoph Lübcke, an die Guy-Fawkes-Maske erinnert, von der er kurz zuvor gelesen habe. Die habe er mit dem Gesicht und dem Grinsen des kleineren Mannes in Erinnerung gebracht. Er habe die Situation bildlich vor Augen, so Christoph Lübcke weiter, denn sein Vater habe ihn gefragt, was das denn für Personen gewesen seien. „Wir fühlten uns angestarrt“. Danach hätten sie sich nichts weiter dabei gedacht. Auf Fragen von Sagebiel sagte der Nebenkläger, die beiden Männer seien acht bis zehn Meter entfernt gewesen. Der kleinere Mann habe eine dunkle blaue oder grüne Jacke „Richtung Bundeswehr“ getragen. Er habe ihn wegen des Grinsens und auch wegen des Barts an die Guy-Fawkes-Maske erinnert. Als Kopfbedeckung habe er eine „Batschkappe“ getragen, platt mit kleinem Schirm. Sagebiel erkundigte sich nach dem Umstand, dass die beiden Männer Walter Lübcke und seinen Sohn angestarrt hätten. Christoph Lübcke bestätigte dies erneut, und dass die beiden nicht gegrüßt hätten. Sie seien auch aufgefallen, weil an Samstagen nicht viele ortsfremde Menschen durch Istha kämen. Der Senat fragte, ob Anfang 2018 wirklich alle Bauarbeiten abgeschlossen gewesen seien. Christoph Lübcke zählte Teile des Hauses auf, die noch nicht ganz fertig gestellt gewesen seien und die man eventuell als Baustelle hätte wahrnehmen können.

OStA Killmer fragte nach, wann der Nebenkläger den Verdacht geschöpft habe, sich an etwas zu erinnern, das zur Schilderung von Stephan Ernst passen könnte. Christoph Lübcke sagte, das sei gewesen, als sie die Vernehmungsvideos von Stephan Ernst im Prozess gesehen hätten. Bei der ersten Version des Geständnisses habe er gedacht, eine Schilderung würde zu seinem Haus passen. Bei der zweiten Vernehmung, in der von zwei Personen die Rede gewesen sei, habe er gedacht, das komme ihm bekannt vor und habe dies auch seinem Anwalt Prof. Dr. Matt mitgeteilt. Der Senat und die Bundesanwaltschaft verständigten sich darauf, dass Beamte in Istha eine verschiedene Fotos erstellen sollten, von denen Ernst das entsprechende Haus auswählen solle.

Auf Fragen von RA Clemens von der Verteidigung Hartmann sagte Christoph Lübcke, es sei später Nachmittag gewesen und es kämen nur drei Samstage 2018 für das Ereignis in Frage. Auf Fragen von Kaplan sagte der Nebenkläger, er habe den Blick der Männer gefühlt, wodurch er als erstes darauf aufmerksam geworden sei. Die Fixierung habe nicht aufgehört und er habe das Bedürfnis gehabt, zu gucken, wer oder was das ist. Das Grinsen der kleineren Person sei kein freundliches Grinsen gewesen, und die beiden Männer hätten auch nicht gegrüßt, sondern sie nur fixiert. Es sei eine komische Situation gewesen, was auch sein Vater so wahrgenommen habe. Sagebiel fragte, ob er auch Gesprächsfetzen gehört habe. Der Nebenkläger sagte, er habe eher ein Schweigen wahrgenommen. Er wüsste nicht, dass sich die Lippen bewegt hätten. Er und sein Vater hätten auch kurz aufgehört zu reden, als sie die Fixierung bemerkt hätten. Danach endete der Verhandlungstag.

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