Bericht zur 41. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (25.08.2017)

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In der Sitzung am 25.8.2017 waren ein ehemaliger Dezernatsleiter des LfV sowie ein Beamter der MK Café geladen. Im Anschluss wurde Andreas Temme zum dritten Mal vom hessischen NSU-Untersuchungsausschuss vernommen.

Als erster Zeuge sagte Udo S., seit 2002 pensionierter und ehemaliger stellvertretender Dezernatsleiter des hessischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) aus. Er war für den Bereich der organisierten Kriminalität als V-Mann Führer zuständig. Er organisierte den CDU Arbeitskreis innerhalb der Behörde von 1986 bis 2003, der sich zum „Austausch über Ziele und Werte der CDU im Bereich Sicherheit mit höchstens acht Personen“ regelmäßig traf. Weiterhin wurden durch den Arbeitskreis 5 inhaltliche Veranstaltungen organisiert Am 12.9.2000 wurde ein Grillfest auf einem polizeilichen Gelände organisiert, an dem 50-60 Mitarbeiter von verschiedenen Sicherheitsbehörden aus mehreren Bundesländern sowie dem Ministerium teilnahmen. An diesem Abend war der damalige Innenminister Bouffier sowie der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme anwesend. S. berichtet, dass Bouffier und Temme nicht mehr als kurze Begrüßungsworte miteinander gewechselt hätten. Die Grillfeier wurde von der CDU bezahlt.

Als zweiter Zeuge sagte der seit 2007 ebenfalls pensionierte, ehemalige Kriminaloberkommissar des Polizeipräsidiums Nordhessen, Joachim B. aus. Bevor er 2006 zur MK Café kam, war er für den Bereich Rockerkriminalität zuständig. Dies war in Kassel ein bundesweit einzigartiges Phänomen, da zwei Rockergruppen in einer Stadt ansässig waren. Hierfür wurde er als erfahrener Ermittler ausgewählt. Er vernahm 2006 Andreas Temme und erklärte heute, dass sich dies sehr schwierig gestaltete und er eine solche Vernehmung in seinen 30 Dienstjahren noch nicht erlebt hätte. Temme habe nie direkt auf Fragen geantwortet sondern immer versucht, Erklärungen abzuliefern. Er glaube, dass dies Teil seines Charakters und keine Strategie gewesen sei. Bei der zweiten Vernehmung bat er Temme, seinen Privatwagen im Hof abzustellen. Während er von ihm vernommen wurde, wurde der Wagen noch einmal von seinen Kollegen genauer angeschaut. Der Behauptung von Temme, man habe sich vor der Vernehmung bereits gekannt, widersprach er. An Kontakte von Temme zu Rockern konnte er sich nicht erinnern. Auf die Frage hin, ob Mundlos die Kneipe „Scharfes Eck“ in Reinhardshagen besucht habe erklärt er, dass es diese Information falsch sei, es habe sich beim „Scharfen Eck“ nicht um eine Rockerkneipe gehandelt.

Als dritter Zeuge wurde erneut der ehemalige Mitarbeiter des LfV Hessen, Andreas Temme, befragt. Zu Beginn der Befragung wurde Temme mit einer Email seiner damaligen Vorgesetzten Dr. Iris Pilling konfrontiert, in der diese ihre Mitarbeiter*innen befragte, ob sie oder ihre V-Leute etwas über die so genannte Ceska-Mordserie wüssten. Bislang hatte Temme ausgesagt, er könne sich an diese Email nicht erinnern. Ihm wurde im Anschluss jedoch ein Ausdruck vorgehalten, auf dem sich eine Paraphe befindet, die von anderen Zeugen als seine identifiziert wurde. Temme bestätigte, dass es sich um seine Paraphe handelt, blieb jedoch bei der Aussage, dass er bis vor seiner ersten Befragung im hessischen Untersuchungsausschuss keinerlei Erinnerung an diese Email hatte.
Temme wurden insgesamt drei Ausschnitte aus dem Rekonstruktions-Video von Forensic Architecture gezeigt: Als erstes wurde ihm der Part vorgehalten, in dem es um das Schussgeräusch geht. Auf die Frage, ob er irgendein Geräusch am Tatort wahrgenommen habe, antwortet Temme, dass das Video selbstverständlich zu keiner anderen Erinnerung bei ihm führe. Die nächste Sequenz, die ihm gezeigt wurde, dreht sich um die Frage der Wahrscheinlichkeit, ob Temme die Leiche Halit Yozgats gesehen hat. Zur Bestätigung der Darstellung im Video, wurde Temme zusätzlich ein Tatort-Foto gezeigt. Temme wiederholte auch hierzu seine Aussage, er habe definitiv nichts gesehen. Die dritte Sequenz, die Temme aus dem Video vorgehalten wurde, drehte sich um das Zeitfenster des Verlassens des Internet-Cafés. Auch hierzu sagt Temme aus, er könne sich an nichts erinnern.
Temme wurde zudem mit einer Merkwürdigkeit aus dem Nachstellungsvideo der Polizei bei der Tatortbegehung konfrontiert: Obwohl er auf der Suche nach Halit Yozgat gewesen sei, um zu bezahlen, schaute Temme an die Decke des Internetcafés, wenn er sich in Richtung Tresen, wo Yozgat sich üblicherweise aufhielt, wendet. Als Erklärung hierzu gibt Temme an, dass er zu dem Zeitpunkt des Videodrehs im Verdacht stand, neun Morde begangen zu haben. Es sei ihm zufolge nachvollziehbar sich in einer solchen Situation sich unnatürlich zu bewegen.
Zudem wurde Temme mit einem Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 17.05.2017 konfrontiert, in dem Erwähnung findet, dass der Zeuge Michael See (der während seiner Ehe Michael von Dolsperg hieß) im Bundesuntersuchungsausschuss Corryna G. als Verbindungsfrau zwischen der nordhessischen Neonazi-Szene und dem Thüringer Heimatschutz benannt hatte. Auf die Frage, was ihm der Name Corryna G. sage, antwortete Temme: Er kenne ihren Namen und wisse, dass sie eine Rolle in der rechtsextremen Szene gespielt habe. Auch der Name Dirk W., der ebenfalls eine Verbindungsperson zur Thüringer Neonazi-Szene war, sei ihm ein Begriff. Möglicherweise habe er in seiner Zeit als behördlicher Ermittler etwas zu ihm beschafft. An Genaueres könne er sich jedoch nicht mehr erinnern.
Temme wurde mit einer Lüge gegenüber seiner ehemaligen Kollegin Frau E. konfrontiert. Diese hatte im hessischen Untersuchungsausschuss ausgesagt, Temme habe ihr noch am 10.04.2006 versichert, er würde das Internet-Café in der Holländischen Straße nicht nutzen. Seine Reaktion: Es sei ein Fehler gewesen, sich der Kollegin nicht anvertraut zu haben. Diesen Fehler habe er bereits zugegeben. Temme wurde mit weiteren Aussagen von Frau E. konfrontiert. Diese sagte ebenfalls aus, Temme habe möglicherweise seine V-Leute-Berichte aufgepeppt. Es sei auffällig gewesen, das mit Temmes Übernahme bestimmter V-Leute (insbesondere im Bereich des Islamismus) die Berichte sehr viel ausführlicher waren. Er verneinte zudem die von einem ehemaligen Kollegen getätigte Äußerung, die ebenfalls E. bei ihrer Vernehmung erwähnte, er habe Dossiers über Kolleg*innen angefertigt.

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