Bericht zur 21. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsauschuss im hessischen Landtag (15.04.2016)

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Zur 21. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses wurden einerseits zwei Zeugen aus der rechten Szene, Oliver P. und Kevin S., und andererseits der Generalbundesanwalt Walter Hemberger vorgeladen. Gegenstand der Befragung von P. und S. waren deren Aktivitäten und Kontakte innerhalb der rechten Szene in Hessen und Thüringen im Zeitraum der NSU-Morde, wobei ein besonderer Fokus auf mögliche Verbindungen zu rechtsterroristischen Netzwerken im Allgemeinen und dem NSU im Besonderen gelegt wurde. Insgesamt stellte sich die Befragung beider Zeugen als wenig ergiebig heraus. Sie zeigten sich zwar teilweise bereit, konkrete Informationen über damalige Kontakte preiszugeben, verfolgten aber größtenteils die Strategie, bei sensiblen Fragen auf andere Neonazis zu verweisen. Da beide Zeugen mittlerweile bekannt gegeben haben, aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein, nutzten sie die Befragung außerdem dafür, sich als geläuterte Aussteiger zu inszenieren.

Zuerst wurde Oliver P. befragt, der langjähriges Mitglied der Kasseler Neonazi-Szene war und im Jahre 1996 die überregional bekannte Neonazi-Band „Hauptkampflinie“ (HKL) gegründet hatte. Nachdem P. einige Angaben zur Entstehungsgeschichte sowie zu den anderen Mitgliedern von HKL machte, wurde er zu möglichen Verbindungen zwischen Hessischer Neonazi-Szene und dem NSU-Netzwerk befragt. Nennenswerte Informationen hat er in diesem Zusammenhang jedoch nicht geliefert. So gab er an, dass er vom NSU-Mord an Halit Yozgat im April 2006 erst im Nachhinein aus der Presse erfahren habe und ihm auch sonst keine Hinweise auf mögliche Verbindungen hessischer Neonazis zum NSU-Umfeld aufgefallen seien. Insgesamt behauptete er, von rechtsterroristischen Aktivitäten oder Waffenbesitz in der rechtsextremen Szene nur gerüchteweise gehört zu haben, und verwies in diesem Zusammenhang auf andere Neonazis wie etwa Thorsten H., Dirk W., Corinna G. oder Stanley R. Grundsätzlich stelle sich P. als Rechtsrock-Musiker dar, der nur nebensächlich politisch aktiv gewesen sei. „Mit Demogängern hatte ich wenig zu tun“, so P. Diese auch in Verfassungsschutz-Kreisen verbreitete Erzählung einer weitestgehenden Trennung zwischen rechter Musikszene und militantem Neonazismus wurde vonseiten der Abgeordneten leider kaum hinterfragt. Einzig die Linksfraktion unternahm den Versuch, P. mit der von seiner Band transportierten rechtsextremen Ideologie, seinen ehemaligen Kontakten zu militanten Neonazis wie Thorsten H. sowie seinen Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen wie den „Republikanern“, der „Arischen Bruderschaft“ oder der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ zu konfrontieren.

Im Anschluss wurde Kevin S. vorgeladen, der eigenen Angaben zufolge seit 2005 als Neonazi im Raum Hessen und Thüringen aktiv war und im Jahr 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung im Rahmen eines Neonazi-Angriffs zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Insbesondere wurde er dabei zu seinen Aktivitäten in der Kameradschaft „Freie Kräfte Schwalm-Eder“, dem rechten Videoprojekt „Volksfront Medien“ sowie zu seinem Aufenthalt im „Braunen Haus Jena“ befragt. Dabei gab auch S. an, dass er vom NSU erst ab 2011 aus der Presse gehört habe und über rechtsterroristische Aktivitäten nicht informiert gewesen sei. Dass beispielsweise Alexander S., der ebenfalls in den „Freien Kräften Schwalm-Eder“ aktiv war, Bombenbau-Pläne auf seinem Computer gespeichert hatte, habe er nicht gewusst. Aus seiner Zeit im „Braunen Haus Jena“ berichtete er, dass er dort Kontakt zu einschlägigen Szenegrößen hatte – so etwa zu dem mittlerweile im NSU-Prozess angeklagten Ralf Wohlleben. Nichtsdestotrotz behauptete er, dass er lediglich Gerüchte über illegale Neonazi-Aktivitäten gehört hatte, die er jedoch für unglaubwürdig hielt. Andererseits bemerkte S., dass Einrichtungen wie das „Braune Haus Jena“ für die Unterstützung neonazistischer Untergrundaktivitäten eigentlich „prädestiniert“ seien, wenngleich er nicht wisse, ob es tatsächliche Unterstützungen gab. Zusätzlich gab er an, dass es in dieser Zeit „nur sporadische“ Verbindungen zwischen Thüringer und Hessener Neonazis gegeben habe. Der einzige interessante Punkt der Befragung bezog sich auf einen Heiko S., der einem Akteneintrag zufolge mit S. am Aussteigerprogramm „Ikarus“ teilgenommen haben soll. Dieser Heiko S. soll während des Ikarus-Programms ausgesagt haben, dass er bereits vor 2011 Informationen über den NSU hatte. Kevin S. sagte hierzu, dass er während des Aussteigerprogramms zwar Kontakt zu Heiko S. hatte, von dieser Aussage jedoch nichts gehört habe. Insgesamt wurde die von der Linkspartei initiierte Befragung zu diesem Sachverhalt schnell abgebrochen, nachdem vonseiten der SPD-Fraktion der Einwand geäußert wurde, dass Inhalte des Ikarus-Programms aufgrund des Zeugenschutzes nicht öffentlich diskutiert werden dürfen.

Abschließend wurde der Generalbundesanwalt Walter Hemberger vorgeladen. Dieser sollte zu den Aktivitäten der Hessischen Neonazi-Szene im Zeitraum der NSU-Morde mit besonderem Fokus auf die Rolle von Oliver P., Kevin S. und weiteren Einzelpersonen aussagen. Gleich zu Beginn der Befragung machte Hemberger jedoch deutlich, dass er nicht dazu befugt ist, zu diesem Beweisthema in öffentlicher Sitzung auszusagen, weswegen die Befragung in die nichtöffentliche Sitzung verschoben wurde.

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