Bericht zur 17. öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag (21.12.2015)

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Am 21.12 fand die letzte Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Jahr 2015 statt. Geladen waren drei Verfassungsschutzbeamte. Karin E., Frank-Ulrich F. und Axel R. Die Zeugin Jutta E. hatte krankheitsbedingt abgesagt.

Als erste Zeugin war Karin E. geladen, die erst seit 2009 beim hessischen Verfassungsschutz (LfV) als Auswerterin im Bereich Rechtsextremismus arbeitet. Sie wurde insbesondere zur hessischen Neonaziszene befragt, über die sie kaum neue Informationen hatte und oft sogar bekannte Neonazis und Gruppierungen nicht kannte. Sie lieferte aber einen Einblick in die Arbeit des LfV. In der Auswertung sei der Bereich Rechtsextremismus in drei Kategorien aufgeteilt: Freie Neonazikräfte und Strukturen, sog. dogmatische Rechte (womit Parteien wie die NPD gemeint sind) und die Musikszene. Dabei kam heraus, dass selbst militante Gruppierungen wie Combat 18 und die Oidoxie Streetfighting Crew in der Kategorie „Musikszene“ geführt werden.

Als zweiter Zeuge war Frank Ulrich F. geladen, der ab 2000 als Dezernatsleiter des LfV in Kassel gearbeitet hat und dementsprechend ein Vorgesetzter von Andreas Temme gewesen ist. Er hatte bereits im NSU-Prozess in München ausgesagt. Von der Ceskà-Serie will F. erst über die Presse erfahren haben und nicht über Informationen aus dem Verfassungsschutz. Ob Temme dienstlich im Cafè gewesen sei, wisse er nicht, er selbst habe dazu keinen Auftrag erteilt. Neu war an seiner Aussage, dass F. kategorisch darauf beharrte, mit Temme kurze Zeit nach dem Mord an Halit Yozgat direkt über den Fall gesprochen zu haben. Durch einen großen Artikel in der HNA sei er auf das Thema gekommen und habe Temme in den Räumen des Verfassungsschutzes darauf angesprochen. Er fragte ihn nach eigener Aussage, ob Temme das fragliche Cafè kenne, da es auf dem Weg zwischen der Außenstelle des LfV und Temmes Wohnort lag, was dieser verneinte. F. gab an, dass er sich von Temme „hintergegangen“ gefühlt habe. Er hätte ihn „zur Polizei geprügelt“, wenn er gewusst hätte, dass Temme im Cafè anwesend war. Den Mord an Yozgat traut er Temme jedoch nicht zu.
An die Telefongespräche mit Temme könne er sich nicht erinnern. Im Ausschuss wurden diese abgespielt und ihm vorgehalten. Fehling hatte in einem Gespräch zu Temme gesagt, würde dieser bei einer Tatortbegehung mitmachen, sei „er tot.“ Im Ausschuss gab F. zu Protokoll, dies sei bezüglich seiner weiteren Arbeit als V-Mann-Führer gemeint gewesen. Laut F. hatte Temme in der Zentrale des LfV in Wiesbaden ein sehr gutes Image.
Bereits im März 2006 wurden die Mitarbeiter des LfV über die Referatsleiterin Beschaffung, Frau Iris Pilling, aufgefordert, die Quellen über die Ceskà-Mordserie zu befragen. In der Befragung von F. kam nun heraus, dass dieser seine Quellen nur kurz befragt hatte und es später keinen Rücklauf mehr an das LfV gab. Nachdem Yozgat ermordet wurde, hätte es keine erneute Befragung der Quellen zum Thema gegeben, obschon der Auftrag vom März 2006 bekannt war.
Zudem sagte F. aus, dass er Benjamin Gärtner, den V-Mann von Temme in der rechten Szene, selbst einige Jahre lang geführt hat, zuerst vor Temme und dann nach dessen Suspendierung. Bisher war nur öffentlich bekannt, dass Gärtner auf die Deutsche Partei angesetzt war, im Ausschuss konnte sich F. jedoch an keine Deutsche Partei erinnern. Die Qualität von Gärtners Aussagen seien nicht sehr „ergiebig“ gewesen. Rechtsradikale Parteien wie die NPD bezeichnete F. im Ausschuss konsequent als „konservativ.“ Kasseler Neonazigrößen wie Michel F. oder Stanley R. waren F. dafür kein Begriff.

Zuletzt war als Zeuge Axel R. geladen, der von 1998 bis 2005 Dezernatsleiter für Rechtsextremismus im LfV gewesen ist und ab 2006 für den Bereich Islamismus eingesetzt wurde. Nach eigenen Angaben kannte er Temme nur flüchtig und hatte sonst nichts mit ihm zu tun. Im Vergleich zu vielen anderen LfV-Mitarbeitern, die bereits im Ausschuss ausgesagt hatten, verfügte R. über ein profundes Wissen über die rechte Szene in Hessen. Er kannte Strukturen, Gruppierungen und Vernetzungen in andere Bundesländer. Er hatte sich auf die Ausschusssitzung mit den damaligen Akten vorbereitet, konnte aber zwischen Hessen und dem NSU-Trio keine Verbindung erkennen.
Über die Arbeitsweise im LfV sagte R., eine Aufteilung der rechten Szene in drei Kategorien sei konstruiert und entspreche nicht deren eigenem Denken. Musik werde von Nazis „instrumentell“ eingesetzt, um die eigene Ideologie zu festigen.
Bezüglich des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße, sagte R., dass er damals an einen rechten Hintergrund gedacht habe. Er sagte hierzu „selbstkritisch“, dass er die Vermutung innerhalb der Strukturen des Verfassungsschutzes hätte ansprechen müssen. Die Hierarchieordnung innerhalb solch einer Behörde hätte dies aber schwierig gemacht. Er ging davon aus, dass die Kollegen in NRW alles im Griff gehabt hätten. Insgesamt bewertete er das Agieren des Verfassungsschutzes bei der NSU-Mordserie als „Versagen der Sicherheitsbehörden.“

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