Bericht zur sechsten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses (20. April 2015)

0

Zur sechsten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses am 20. April 2015 waren als Sachverständige der Oberstaatsanwalt Dr. Albrecht Schreiber aus Frankfurt, sowie die Abgeordneten Eva Högl, Petra Pau und Clemens Binninger aus dem Bundestagsuntersuchungsausschuss (BUA) geladen.

Die Sitzung begann mit der Anhörung des Oberstaatsanwaltes Dr. Albrecht Schreiber aus Frankfurt, der über die staatsanwaltliche Arbeit bei Kapitalverbrechen, die verschiedene Kategorien von verdeckt Ermittelnden und Sperrerklärungen referierte.
Schreiber erklärte die übliche Unterscheidung von verdeckt Ermittelnden anhand der vier typischen Kategorien dieser:
So gibt es 1. klassische verdeckte Ermittler_innen (VE), also Angestellte des Staates (Polizei oder andere Behörden), die über einen längeren Zeitraum ermitteln, z.B. im Bereich organisierte Kriminalität, 2. nicht offen ermittelnde Polizeibeamte (NOEP), die in Einzelfällen aktiv werden, etwa zum Scheinkauf für Drogen. Des weiteren gibt es 3. „Vertrauenspersonen“ (VP), also V-Leute, und 4. Informant_innen, die beide Teil von bestimmten Szenen sind und Informationen an staatliche Behörden weitergeben, aber nicht Staatsangestellte sind.
Schreiber erklärte außerdem die Funktion von Sperrerklärungen (SE): Durch diese kann etwa im Fall eines Gerichtsprozesses verhindert werden, dass „Vertrauenspersonen“ als Zeug_innen geladen werden und somit ihre Identität preisgegeben wird. Ob eine SE erteilt wird, entscheidet der oberste Dienstherr. Übliche Begründung für SE sind das „Wohl des Landes“ oder der Schutz der Quelle, die gegebenenfalls über der Unterstützung bei einer Strafverfolgung stehen. SE müssten laut Schreiber gut begründet sein, formelhafte Beründungen reichten für ein Gericht nicht aus, um sie zu akzeptieren. Gegen eine SE vorzugehen, sei unüblich, wäre aber über die jeweiligen Verwaltungsgerichte in begrenztem Maße möglich. Schreiber selbst kannte keinen solchen Fall und habe selbst auch nie eine SE angezweifelt. Dies sei nicht Aufgabe von Staatsanwaltschaften. Auf Nachfrage sagte er, dass es auch andere Wege gebe, V-Leute zu befragen, ohne dass eine SE ihre Wirkung verliert, z.B. durch Befragung in separaten Räumen des Gerichts oder andere Anonymisierungsmaßnahmen. Er betonte mehrfach, dass er gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gemacht habe. Zum NSU und den konkreten Umständen des Mordes an Halit Yozgat in Kassel, also zur Arbeit der Kasseler Staatsanwaltschaft, konnte er nichts sagen.

Im zweiten Block des Sitzungstages waren die drei Bundestagsmitglieder Eva Högl (SPD), Petra Pau (Die Linke) und Clemens Binninger (CDU) geladen, die Teil des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses waren. Sie berichteten von ihrer Arbeit im Ausschuss, fassten die Ergebnisse zusammen und gaben Ratschläge, auf welche Themen sich der hessische UA konzentrieren solle.
Alle drei betonten im Laufe ihrer gemeinsamen Anhörung mehrmals, dass der Bundestagsuntersuchungsausschuss nur deshalb so gut funktioniert hat, weil überparteilich gearbeitet wurde und dadurch parteipolitische Streits vermieden werden konnten. Alle hätten neue Informationen sofort weitergegeben und insgesamt gut zusammengearbeitet. Dass dies häufig wiederholt wurde, machte den Appellcharakter in Richtung des hessischen UA deutlich.
In seinem Überblick zur Mordserie erklärte Binninger, dass sie alle drei Zweifel daran hätten, dass es sich beim NSU tatsächlich um ein Trio handelte. Pau und Högl betonten, dass es ein breites Neonazinetzwerk gebe, das dem Kerntrio zur Verfügung stand. Dieses müsse genau untersucht werden.
Högl sah als zentralen Teil der Untersuchungsausschüsse, den Opfern zu zeigen, dass man die NSU-Morde ernst nimmt und die Opferperspektive stark macht. Besonders in Hessen sei Rechtsextremismus als Tathintergrund permanent ausgeschlossen worden, obwohl etwa Halit Yozgats Vater sich mit dieser Vermutung ans Innenministerium gewandt hatte. Högl und Pau unterstrichen die Bedeutung des Rassismus, bzw. „rassistischer Züge“ in Polizei und Verfassungsschutz. Högl forderte in Hinblick darauf Reformen in den Behörden.
In Bezug auf Hessen erklärte Binninger, dass in ihren Untersuchungen die hessische Neonaziszene und V-Mann Benjamin Gärtner zu kurz gekommen sei. Er gab außerdem den Rat, die Ermittlungen in den ersten vier Wochen nach dem Mord an Yozgat intensiv zu begutachten, um so Rückschlüsse auf Fehler der Ermittlungsbehörden ziehen zu können. Zentral sei außerdem, so Högl, dass aus dem umfassenden Versagen Konsequenzen gezogen würden.

Share.

About Author

Comments are closed.