Bericht zur vierten öffentlichen Sitzung des Untersuchungssausschusses (16. März 2015)

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Am 16. März 2015 fand die vierte Sitzung des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses in Wiesbaden statt. Als Experten waren der „Extremismusforscher“ Uwe Backes sowie der Verfassungsschutzbeamte Dieter Bock geladen. Sie sollten Einblicke in die Arbeit der Sicherheitsbehörden in Hessen geben.

Anhörung von Uwe Backes

Backes, der an der TU Dresden Politikwissenschaften lehrt, gliedert seinen Vortrag in drei Teile. Als erstes beschreibt er Unterschiede in der Organisation und dem Vorgehen des NSU im Vergleich zur restlichen Neonaziszene. Unterschiede zu sonstigen Taten sieht er insbesondere in der gezielten Tötung aus der „Face-to-face-Situation“. Allerdings nennt Backes zu den angegebenen Unterschieden Beispiele von vorherigen Taten der Neonaziszene, die seiner These der Besonderheit des NSU widersprechen. Gleichzeitig merkt er an, dass der NSU als Teil eines internationalen Netzwerkes verstanden werden kann, da Ideologien und Terrorkonzepte als „Re-Import“ aus angelsächsischen Ländern kamen.
Im zweiten Teil seines Vortrages stellt Backes die Frage, ob die Rechtsextremismusforschung Fehler begangen habe, die zum Versagen der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex beigetragen haben. In der bisherigen Forschung wurde rechtsextremer Terror kaum behandelt, insgesamt lag der Fokus auf den „simplen“ Gewalttaten von Neonazis. Backes konstatiert, die Extremismusforschung habe die Erkenntnisse der Verfassungsschutzberichte lange zu unkritisch übernommen.
Im letzten Teil erläutert Backes Probleme der Sicherheitsbehörden, die dazu führten, dass der NSU lange unentdeckt blieb. Sicherheitsbehörden arbeiteten häufig aktualistisch, wodurch langfristige Entwicklungen übersehen würden. Zudem sei eine kontinuierliche Arbeit durch die hohe Fluktuation der Mitarbeiter*innen erschwert.

Anhörung Dieter Bock

Bock erläutert in einem sehr kurzen Vortrag die Arbeitsabläufe des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Danach erklärt er auf Nachfrage, dass es eine geregelte Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz gebe, es fänden regelmäßige Sitzungen statt.
V-Personen würden angeworben, wenn es eine hohe Informationsdichte zu der Person gebe und diese geeignet erschiene, relevante Informationen zu liefern. Vor Beginn der Zusammenarbeit werde das Innenministerium informiert. Normalerweise führe ein Beamter nur Quellen aus einem Phänomenbereich. Wenn ein Beamter aus verschiedenen Bereichen (z.B. Islamismus, Rechtsextremismus) V-Männer führe, werde dieser innerhalb des Amtes als überaus kompetent angesehen. Bock behauptet, V-Leute, die Straftaten begehen, würden als Informationsquelle abgeschaltet.
Bock wurde gefragt, warum das Land Hessen V-Leuten einen Rechtsbeistand in einem Prozess finanziere. Er antwortet, dass nicht nur die Quelle, sondern auch der Verfassungsschutz geschützt werden müsse und die Quelle rechtlich beraten werde, was sie in einem Prozess sagen darf.
Insgesamt arbeiteten beim hessischen LfV 250 Mitarbeiter*innen, 20 von ihnen seien V-Mann-Führer. Jede*r von ihnen führe nicht mehr als fünf Quellen. Die steuerlichen Abgaben der Vergütung der V-Leute übernehme das LfV mit einem jährlichen Pauschalbetrag.
Zu der Frage, warum V-Leute nicht vertraulich von der Polizei befragt werden durften, erklärte Bock, dass hier Abwägungsvorgänge im Einzelfall geprüft werden müssten. Diese fänden zwischen dem LfV Hessen, dem BfV und dem Innenministerium statt. Zu den Abwägungen und der Entscheidung nach dem Mord in Kassel müsse der damalige Amtsleiter befragt werden.
Insgesamt war festzustellen, dass Bock bei einigen Fragenkomplexen keine Aussagegenehmigung vom LfV erhalten hatte.

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